Insten, Lebensumstände 1850 auf dem adeligen Gut Cronsburg/Ksp. Bovenau

ich fand bei Klaus Struve (https://www.rootdigger.de/Links.htm) einen interessanten Artikel aus der Zeitung:

Das Volk, eine demokratische Zeitung, Nr. 23, Mittwoch d. 20. März 1850

überschrieben mit

"Eine Instenwohnung im adeligen Gute Cronsburg."

Film 46 Landesbibliothek Schleswig-Holstein, Wall 47/51, 24103 Kiel http://www.shlb.de/

"Angesichts des stattlichen Herrenhauses, liegt eine Instenkate, die in äußerer und innerer Armseligkeit mit der erbärmlichsten irischen Hütte wetteifern kann. Diese Kate gehört dem Besitzer des adligen Gutes Cronsburg, Herrn Dohrn.

Das Äußere der Karte sieht noch schlechter aus als vorstehendes Bild es veranschaulicht. Statt der Fensterscheibe stecken halb verfault Lumpen in den zerbrochenen Fensterrahmen; das Haus hat zwei Eingänge, die Thüren sind aber nur 4 Fuß 7 Zoll hoch. Ist man durch dieselben eingekrochen, so befindet man sich in einer finstern Höhle, deren mit Glanzruß besetzte Wände von dem auf den 4 Feuerstellen glimmenden Feuer ab und zu einen Wiederschein werfen auf die ärmlichen Insassen: Insten, eine Kuh und eine Ziege. Diese Höhle ist die Hausdiele. Aus dieser Höhle führen 4 Thüren in 4 Instenstuben, bewohnt von 5 Familien. In der ersten Stube wohnen Vater, Mutter, Sohn und Schwiegertochter. In dem Bebälter dieser Doppelfamilie, ausgefüllt mit Bettstellen, einigen hölzernen Stühlen, Koffern u. s. w., sieht es nicht so armselig aus, weil - hier 8 Hände in schwerer Fröhnerarbeit für das Wohl der Doppelfamilie wirken.

In der Stube nebenan aber sieht man das Bild einer verarmten und immer mehr verarmenden Instenfamilie. Es ist eine Wittwe mit 5 Kindern, von denen sie jedoch eins einem Bauer ins Haus gebracht, damit es nicht verhungere. Als wir die arme Wittwe besuchten, lag ihr ältestes Kind, ein Mädchen von 14 Jahren, krank im Bette. Das Mädchen bedeckte ihr Gesicht mit den Händen und meinte, als die Mutter, welche das kleinste Kind auf dem Arm trug, erzählte: ihre Tochter solle confirmiert werden, sie sei jedoch krank geworden, weil sie zur Vorbereitung zum Prediger gehen müsse und Nichts um und an habe. (Es ist für Confirmationszeug fürs arme Mädchen bereits gesorgt worden.) Sie, die Wittwe, sei heute (an einem Sonntage) zu Hause geblieben, um ihren Kindern Reinlichkeit anzutun, sonst gehe sie täglich zu Hof, wo sie 8 ßl verdiene. Bei dem Tode ihres Mannes habe sie noch eine Kuh gehabt, die sei aber mit der Apotheker- und Doctorrechnung draufgegangen. Jetzt sei sie bitterlich arm und könne ihre Kinder kaum in grobe Leinwand kleiden.

In der dritten Stube wohnt ein Arbeiter-Invalide. Er ist arm geworden, weil seine Knochen durch halbhundertjährig schwere Arbeit so mürbe geworden, daß sie die schwere Arbeit, welche doch noch auf höhern Tagelohn Anspruch machen darf, nicht mehr verrichten könne. Die Hausgeräthe sind Rudera ehemaliger armseliger Mobilien eines Häuerinsten. Im sogenannten Bette lag die kranke Frau des alten Insten. Sie hat sich im Dienste der Herrn vom Hofe - aufgearbeitet.

Die vierte Stube bietet ein Bild des Jammers dar, wie es Irland nicht glänzender aufzuweisen vermag. Es war Sonntag - gerechter Gott, welch ein Sonntag in diesem Menschenstalle, unter Geschöpfen, welche offenbar Menschen sind, obwohl der unvorbereitet Eintretende einen Augenblick daran zu zweifeln im Begriff steht! Nichts als zerbrochenes ärmliches Hausgeräth, einige zusammengeschlagenen Pfosten und Bretter, deren Zwischenräume mit Lumpen und Stroh ausgefüllt waren, - es sollen Betten sein. In einem dieser Lumpenbehälter lag ein fast nacktes einjähriges Kind und spielte mit Fetzen eines ehemaligen Kleides. In dem backsteinernen Ofen kauerten 5 halbnackte Kinder, deren Geschlecht wir jedoch nicht angeben können, weil Knaben und Mädchen fast gleich gekleidet, das heißt in Lumpen eingewickelt waren. Das älteste dieser armen Geschöpfe, wahrscheinlich ein Mädchen, etwa 13 Jahre alt, antwortete auf die Frage, ob sie in die Schule gehe: Nein, und wo ihre Mutter sei: die arbeitet auf dem Hofe (heute am Sonntag!), da verdiene sie 8 ßl. - acht Schillinge täglich für 7 Menschen zur Nahrung und Bekleidung! Der Vater ist todt.

Geht hin, ihr Reichen, Ihr Aristocraten, Ihr Gutsbesitzer, Ihr Vornehmen Herren, nach der Instenhütte bei Cronsburg, beschauet sie von außen und im Innern, und wenn Ihr dann noch behauptet, die Lage der Insten in den adeligen Gütern lasse im Ganzen Nichts zu wünschen übrig, dann wollen wir wünschen, daß nur Einer von Euch einmal 24 Stunden in einem solchen Menschenstall eingesperrt werden möge!"

Die zuletzt beschriebene Instenstube wird lithographirt und auf Suscription zum Besten der unglücklichen Bewohner derselben herausgegeben werden.

Der Bovenauer Verein wird fortfahren zur Beschämung der großen Herren, der Unglücklichen sich zu erbarmen und den Glücklichen Bilder zu liefern von dem Glück des Instenlebens in unserm glücklichen Vaterlande."

Zu dem Verfasser Friedrich LEXOW: https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Lexow "Friedrich Lexow (* 29. Januar 1827 in Tönning; † 3. Dezember 1872 in New York) war ein deutsch-amerikanischer Schriftsteller, Journalist und Lyriker.

Er war der Vetter von Rudolf Lexow (1829-1909).

Friedrich war Unterstützer der Revolution von 1848 und hatte in Rendsburg die Zeitung Das Volk herausgegeben (mit Harro Harring). Nach der gescheiterten Revolution wurde er verhaftet. Er wurde zunächst zu acht Jahren Gefängnis verurteilt und dann auf ein Jahr Festungshaft begnadigt. Nach seiner Entlassung kam er 1853 nach Amerika zu seinem Vetter Rudolf, der dort Herausgeber des Belletristischen Journals war. Friedrich kam in die Redaktion der Criminal-Zeitung. Er ergänzte es um das Belletristische Journal und eine politische Rundschau. Die Zeitung nannte sich von dort an New Yorker Criminal-Zeitung und Belletristisches Journal.

Nach seinem Tod führte Rudolf Lexow die Zeitung weiter."

zurück