Uneheliche Geburt 1745 und "öffentlich Buße tun"
Folgender Taufeintrag aus dem Kirchspiel Nortorf ließ mich aufgrund der Ergänzung nach der Bedeutung von "öffentlich Buße tun" fragen.
Mittwoch den 31. März 1745 hat Lencke Riecken, Magd in Dätgen, die sich ihren Vorgaben nach, von Claus Kruse (?), Knecht in Blumenthal, hat schwängern lassen, und zwar im Bordesholmischen, in dem so genannten Intebrock(?), ihren Sohn (geboren am 28.) taufen lassen.
Marx
NB: Die Geschwächte hat Dom(inica) Ocul(i) in Bordesholm öffentlich Buße getan. (Oculi: 4. Sonntag vor Ostern, war der 21.03.1745, also 10 Tage vor der Taufe.)
Taufzeugen: Marx Sachau, Marx Huß in Dätgen, Gretge Löhndörps in Nortorf
Nachfolgende Hinweise bekam ich aus den verschiedenen Mailing-Listen:
Kirchspiels Sterley:Einsender 1:
Von Horst haben den 1.12.1757 Johann Heinrich Warncke, Einwohner daselbst und Catharina Margareta ihr durch unehelichen Beischlaf ......... ............ und im 1. Monat nach der Hochzeit geborenes Kind zur heiligen Taufe befördert und nennen lassen: Hans Joachim.
Von Hollenbeck hat den 29.11.1741 Maria Hedwig Stoffers, ein .............. ............... daselbst, in Unehren mit einem Soldaten Biel zugehalten, ihr Hurkind taufen und nennen lassen: Johann Christian.
den 22.6.1735 sind nach 3malig geschehener Proclamation copuliert worden: Johann Steckenbuhr, Johann Steckenbuhrs, gewesenen Schneiders zur Horst eheleiblicher Sohn und Catharina Margareta Arft, Joachim Arft Tischlers zur Horst eheleibliche Tochter; nachdem selbige in Unehren zuvor miteinander zugehalten, auch Sonntags 21.6.1735 öffentlich Kirchenbuße getan.
In einem der Kirchenbücher sind Bußgelder abgerechnet, die in solchen Fällen zu zahlen waren.
Einsender 2:
Bei uns wäre das Ritual:
vor der Gemeinde öffentlich die Sünde bekennen - also den vorehelichen Verkehr und mit wem er betrieben wurde.
Eine Buße bezahlen - man sieht Spuren dieser Rechenschaft am Ende des Kirchenbuchs.
Ich fand ein Beispiel auf dem frühen 18. Jahrhundert, wo auch eine körperliche Strafe verordnet wurde, was aber eher ungewöhnlich war.
Nicht nur Geschwächte = geschwängerte Mädchen sollten öffentlich Buße tun, auch wer betrunken zum Gottesdienst kam oder ein anderes der zehn Gebote verletzt hatte, wurde der Kirchenzucht unterzogen:
http://www.marstallere.dk/KB-data/Offentlig%20skrifte%201698%20-%201728.xls - auf Dänisch, aber wohl auch so zu verstehen.
Einsender 3:
a Diese "Kirchenbuße" war eigentlich überall üblich. Die konkreten Bräuche dazu waren zwar unterschiedlich, im Grunde ließ es aber immer darauf hinaus, dass der Sünder öffentlich seine Untat bereuen musste. Manchmal musste er dazu während des Gottesdienstes im Büßerhemd an gut sichtbarer Stelle stehen und die Strafpredigt des Pastors über sich ergehen lassen, meist waren auch Bußgelder damit verbunden.
Aus Thüringen kenne ich den Brauch, dass uneheliche Mütter unter öffentlicher "Anteilnahme" den Marktplatz knieend im Büßerhemd säubern mussten, und zwar zur Kirchgangszeit, wenn die ganze Stadt dabei zusah. Und das - je nach Schwere der Verfehlung - an mehreren Sonntagen hintereinander.
Es ging also immer um eine öffentliche Ächtung des Sünders. Besonders oft waren natürlich schwangere junge Frauen betroffen.
B Aus Thüringen weiß ich, dass auch die Väter - soweit sie bekannt waren und aus derselben Gemeinde wie die Mutter stammten - recht kräftig zur Kasse gebeten wurden und auch in der Kirche öffentlich bereuen mussten. Die stark entehrenden Tätigkeiten (Marktplatz fegen usw.) waren aber den Frauen vorbehalten. Logo - denn die waren ja schließlich entehrt worden, die Männer hatten "nur" etwas nicht Akzeptiertes getan.
Die Logik folgte damals eben anderen Gesetzen als heute ... .
Einsender 4:
da die Geschwächte einen unehelichen S. Marx Kruse zur Welt brachte und mit dem Vater nicht verheiratet war, mußte sie öffentliche Buße (Abbitte) tun.
Der Vater a u c h, sofern er aus demselben Ksp. war.
Einsender 5:
Hier im Teufelsmoor gab es diese Gepflogenheiten nicht. Uneheliche Kinder erhielten den Namen des Erzeugers (so bekannt). Der von der Mutter benannte Vater hatte Gelegenheit Protest einzulegen, was auch durchaus in einigen Fällen geschah. Eine Buße jedoch beschrieben gab es nicht.
Die uneheliche Geburt war nur aus dem Taufeintrag ersichtlich. Der Eintrag
erfolgte erst nach 1800 in den Registern der Unehelichen.
Einsender 6:
Kirchenbußen wurden für alle möglichen "Sünden" erhoben, dienten sie doch den Kirchen als Einnahme.
Sicher ist dir der Begriff der Armen-Sünder-Bank bekannt, auf der die armen Sünder während des Gottesdienstes saßen, nachdem sie zum Gespött der ganzen Gemeinde ihre Missetat gebeichtet hatten und wieder in der Gemeinde aufgenommen worden waren. Wenn sie Pech hatten, mußten sie auch noch Herren-Broiche (Brüche) entrichten, die zu gleichen Teilen der Stadt und dem Landesherrn zukamen.
Die Kirchenbuße wurde in Dänemark und Schleswig-Holstein zum Leidwesen der Pastoren durch Königl. Befehl vom 8. Januar 1767 aufgehoben.
Einsender 2:
Ungeachtet dessen, dass das Regulativ 1767 aufgehoben wurde, wurde die Sitte aufrechterhalten. Ich habe im Ksp. Enstedt, Amt Apenrade noch in den 1890ern einen Bauernsohn, und zwar der Sohn des Grossbauern von Stubbeck, der vor den Altar gestellt wurde und vom Pfarrer in die Mangel genommen wurde - langsam hatte es der Pfarrer offenbar satt, von eben diesem jungen Manne uneheliche Kinder zu taufen.
Einsender 7:
Da es neben dem kirchlichen auch noch ein staatliches Recht gab, wurde, wenn der uneheliche Vater nicht gleich angegeben wurde, von Seiten der Gemeinde ein Verfahren gegen die Mutter eröffnet. Denn sonst hätte die Gemeinde im schlimmsten Falle für die Unterhaltskosten des Kindes aufkommen müssen, und diese Alimentationszahlungen hätte man doch gern dem "Erzeuger" angelastet.
Einsender 8:
LAS 125.3/16 S. 310
Depenau, den 10 December 1856 Causa 36 Bruchsache betr. die unverehelichte Anna Magdal. Riecken zu Wankendorff und der Jäger Joh. Hinr. Riecken zu Stocksee, wegen Unzucht
Wegen Bruchfälligkeit war auf heute vorgeladen und erschienen, die benannte Anna Magdal. Riecken und erklärte auf Befragen:
Sie heiße wie benannt, sei 22 Jahre alt und wegen Unzucht noch nicht bestraft. Vater ihres am 18. Oct. geborenen Sohnes sei der derzeitige Jäger zu Stocksee, Joh. Hinr. Riecken, von welchem sie zu Neuenjäger hiesigen Guts beschwängert worden. In Erwägung der rechtl. Folgen des in vorstehender Erklärung enthaltenen Geständnisses ward erkannt: daß Anna Magdal. Riecken wegen Unzucht zu einer 2mal 5tägigen Gefängnisstrafe bei Wasser und Brot, evtl. Bezahlung der nebenverz. Gebühren zu verurtheilen. Auch ward dieselbe darüber belehrt, welchergestalt es ihr freistehe, die Vollstreckung dieser Strafe durch Bruchzahlung oder Verehelichung mit ihrem Schwängerer von sich abzuwenden.