Der "Gasthof zum Pfeifenkopf" im Wandel der Zeiten.
-Der Stolper Krug und die Krügerfamilie Riecken-
von Uwe Brauer, Damlos

Einführung
Das seinerzeit weithin bekannte Dorfgasthaus mit 200jähriger Geschichte gibt es nicht mehr. Der "Pfeifenkopf" brannte am 20.9.1994 ab und wurde nicht wieder aufgebaut. An seiner Stelle entstanden einige Mehrfamilienhäuser. Sie tragen mit anderen, älteren Gebäuden an diesem Teilstück der ehemaligen Landstraße zwischen Wankendorf und Depenau die Straßenbezeichnung "Am Pfeifenkopf". So wird immerhin die Erinnerung an dieses einstmals herausragende Wahrzeichen des Dorfes Stolpe bewahrt.
Die folgende Zusammenstellung der bisher vor allem aus Archiven erlangten Dokumente soll Geschichte und Bedeutung des Stolper Kruges innerhalb des ersten Jahrhunderts seines Bestehens vor unseren Augen wieder erstehen lassen. Es war ein trotz aller Geschehnisse vergleichsweise ruhiger Zeitabschnitt zwischen 1800 und 1900 insofern, als der allgemeine Fortschritt die dörfliche Welt noch nicht allzu sehr verändern konnte. Der "Pfeifenkopf" wird erstmals im Jahre 1806 erwähnt und als dessen Wirt Jürgen Riecken. Drei Generationen dieser Familie sollten den Gasthof mit wechselndem Geschick bewirtschaften, ehe er in andere Hände überging.
Weiterhin soll uns die Frage beschäftigen, ob es bereits vordem einen Stolper Krug gegeben hatte und wo er gelegen haben mag. Naturgemäß gibt es über das 18.Jahrhundert keine gechlossenen Aufzeichnungen, z.B. keine Volkszählungen und im Depenauer Gutsarchiv, in einer ganzen Reihe in sich abgeschlossener Vorgänge, nur gelegentliche Funde, die in unserer Sache, personen- und gebäudebezogen, weiterhelfen. Dennoch bewegen die vorliegenden Erkenntnisse dazu anzunehmen, dass entsprechend der Verlagerung des wirtschaftlichen Gewichts vom Gut auf die Dörfer infolge der Aufhebung der Leibeigenschaft im Jahre 1805 das Dorf Stolpe selbst erstmals einen Krug erhielt, übrigens etwas später mit der "Kruggerechtigkeit über beide Dörfer" ausgestattet. Als dann später Wankendorf aus bestimmten Gründen Stolpe den Rang einer "wirtschaftlichen Mitte" abzulaufen begann, orientierten sich Mitglieder der Krügerfamilie Riecken mit einigen Projekten nach Wankendorf. Da ging das Jahrhundert bereits in sein letztes Viertel. Offenbar übernahmen sich Senior Johann R. sowie seine Söhne Andreas und Albrecht mit ihren recht ehrgeizigen Unternehmungen. Sie verloren nach und nach ihre Niederlassungen, zuletzt auch das Stammhaus, den "Pfeifenkopf" in Stolpe.

Um keinen Zweifel an meinem Arbeitskonzept aufkommen zu lassen: Das "Gemälde" besteht natürlich aus dem Pfeifenkopf samt der Krügerfamilie Riecken in, wie ich hoffe, gelungener Farbigkeit. Doch braucht es einen passenden Rahmen. So stelle ich den Pfeifenkopf in die Tradition der Krüge im Gut (insbesondere auf der Suche nach dem "Vorgängerkrug") und verfolge die These einer merklichen Verschiebung des "Wirtschaftszentrums" von Depenau über Stolpe nach Wankendorf, wobei eben der Pfeifenkopf unter den Krügern Riecken im 19.Jahrhundert eine herausragende Rolle spielt.
Dass ich meine Entdeckungen und Thesen begründend entwickeln muss, was die Arbeit etwas toplastig macht, wird den Freund der Heimatgeschichte nur erfreuen. Sie ist eben ein mühsames Puzzle! Umso schlüssiger und gewichtiger tritt danach der Pfeifenkopf in seiner wirtschaftlichen Rolle in das Rampenlicht!
Kurz ausgedrückt, lege ich einen Längsschnitt durch die Entwicklung wirtschaftlicher Schwerpunkte im Gut jenes Jahrhunderts, wobei der "Pfeifenkopf" (und die Krügerfamilie Riecken) jederzeit (zugegen oder nicht) im Brennpunkt aller Überlegungen stehen. Einige moderne Begriffe sollen lediglich Orientierunghilfe geben. Historische Ereignisse werden ebenfalls nur als richtunggebende Wegemarkierungen verwendet und entziehen sich, dem Thema entsprechend, jeder kritischen Wertung.

Mit vorliegender Arbeit soll der Versuch unternommen werden, den "Pfeifenkopf" und die Krügerfamilie Riecken des 19.Jahrhunderts mitten hineinzustellen in eine Entwicklung aus "tiefer" Leibeigenschaft bis an die Tore moderner Zeit, deren Dynamik unter anderem auch den Dorfgasthof alter Prägung zum Sterben verurteilte.

Kunde aus der Neuen Welt (1981)

Ottilie Riecken Reber, 1870 in Stolpe geboren, erzählte ihrer Tochter Alice "drüben" in Amerika
von Großvater Johann Hinrich Riecken (1800-1887):

"Während seiner Zeit brannte der "Pfeifenkopf" ab. Seine Schwester lebte gegenüber auf der anderen Straßenseite und sah das Feuer zuerst. Sie alarmierte andere, betrat das Haus um Sachen zu retten und kam in den Flammen um. Großvater verbrannte sich schlimm das Gesicht, und das führte später dazu, dass er nur noch schlecht sehen konnte. Während der " Pfeifenkopf " wieder aufgebaut wurde, lebte die Familie in einer Kate auf demselben Grundstück. Diese Kate dientespäter noch vielen Familienangehörigen als Heim."

Der Stolper Krug brannte also schon einmal ab im vorigen Jahrhundert - und die Kunde davon erhielten wir aus Nordamerika, wohin eine ganze Reihe von Mitgliedern der damaligen Gastwirtsfamilie Riecken ausgewandert war, die meisten unter ihnen nach 1890 . Dort hielten die Einwanderer zusammen , so sehr sie sich auch in der Folge über mehrere Bundesstaaten der USA und nach Kanada verbreiteten . Ihre Geschichte schrieb Lenora Schoenroth in London / Ontario (Kanada) auf und beendete 1981 die Familienchronik "The Rieckens"1 - unter gehöriger Mithilfe von Klaus Riecken / Lüneburg ( einem Nachkommen der "Pfeifenkopf" - Riecken ), was den deutschen Informationsanteil betrifft.

Aber stimmte die alte Nachricht vom Brande auch , die in dürren Worten eine Tragödie schildert? Und in welchem Jahr mochte sich der Brand ereignet haben? Das Kirchenbuch gab Auskunft :

Gestorben am 19. Juli 1863, Witwe Catharina Magdalena Hansen, geb. Riecken,zweimal verheiratet
1) mit weil. Claus Suhr, Schmidt zum Pfeifenkopf
2) mit weil. Nicolaus Friedrich Hansen, Schmidt zum Pfeifenkopf Alter : 57 Jahre.
" Sie kam bei einer Feuersbrunst im Hause ihres Bruders, des Gastwirths Riecken zum Pfeifenkopf, ums Leben."

Wir erfahren hier das Datum des Brandes und noch einige, für alte Stolper Einwohner interessante Einzelheiten. Die Schmiede, der man aus naheliegenden Gründen den Namen des Kruges zuordnete, befand sich zu jener Zeit an der Ecke der Dorfstraße, gegenüber der Schmalseite des Kruges. Die Kate, von der vorher die Rede war, wurde in diesem Jahre 1997 selbst ein Raub der Flammen. Sie ist wahrscheinlich gemeint, wenn von jener Kate gesprochen wird , in der früher ein Pfeifenkopfdreher seiner Tätigkeit nachgegangen sein soll. Sein Gewerbe soll dem Stolper Krug kurzerhand zu seinem Namen verholfen haben!

Ottilie Riecken heiratete im Jahre 1891 in Omaha / Nebraska F. J. Reber. Sie starb, 93jährig,1963, im Bundesstaate Saskatchewan / Kanada . Ihr Vater, Andreas Riecken, ein Bruder des letzten Gastwirts Riecken vom "Pfeifenkopf", war Müller und seit 1870 mit Dorothea Theden von Puckrade verheiratet. Von ihm werden wir noch hören.

Vom Stolper Krug zum "Pfeifenkopf"

Suche nach dem Stolper Krug (18.Jhdt.)

Der bereits mehrmals erwähnte Johann Hinr. R. wurde im Jahre 1800 in Stolpe geboren. Seine Eltern waren Jürgen Chr. Riecken (1776 - 1832 ) und Dorothea, geb. Helmer. Die Volkszählung von 1803 weist Jürgen R. als Nationalsoldaten aus und seinen Vater Claus R. als Insten mit Land. Im Dorf Stolpe werden weder Krug noch Krüger genannt. Auch die damals zur Gemarkung Stolpe gehörende Mühle ( Stolper Mühle ! ) wird lediglich als solche bezeichnet, mit den Namen des Müllers und seiner Familie. Hinweise darauf, dass hier gebrannt und gebraut wurde, gibt die Volkszählung nicht. Die Gründe für diesen "kruglosen" Zustand in Stolpe sind schwer einsehbar. Allerdings hatte sich die Gutsherrschaft im Hinblick auf die bevorstehende Aufhebung der Leibeigenschaft darauf vorzubereiten, dass die Dörfer einerseits, der Hof andererseits unabhängiger voneinander werden und sich nach und nach verselbständigen würden. Eine gutsseitige Maßnahme war, das Mühlenareal aus der Stolper Feldmark herauszulösen und es dem Depenauer Gebiet zuzuschlagen4. Fortan galt die Bezeichnung "Depenauer Mühle".

Zweimal sprachen Zufallsfunde von der Existenz eines Stolper Kruges vor der erstmaligen Nennung des "Pfeifenkopfes". Eine Kirchenbucheintragung des Jahres 1792 besagt :
"In Stolpe starb 36 jährig der Krugwirt Johann Friedr. Burmeister."5
Hatte es also doch vorher schon einen Krug in Stolpe selbst gegeben, vielleicht an derselben Stelle dasselbe Gebäude, nur nicht diesen Namens ? Doch die Volkszählung von 1803 spricht ja dagegen. Und eine ortsansässige Familie Burmeister6 hatte es hier nie gegeben. Ortsfremde Namen fand man allenfalls unter den Bediensteten auf dem Hof.
Doch genau in jene Richtung führt uns auch die zweite Spur. Der Leser der vorzüglichen Heimatchronik von Otto Kock, "Bilder aus dem Amt Wankendorf", wird sich an die Eingabe des Müllers Clas Theden und weiterer Stolper Hufner 1728 wegen schlechter Wegeverhältnisse erinnern. Er wird das Testament der ihren Mann überlebenden "alten Müllerschen Trien Theden" gelesen haben, in dem sie ihre drei Söhne und das Tochterkind bedenkt. Clas Theden8 und seine Frau Trien, geb. Lange stammten aus Ruhwinkel, d. h. aus einem Nachbargut ! Das legt die Vermutung nahe, der Depenauer Gutsherr habe sie, vielleicht ihrer Fähigkeiten wegen, im Austausch in sein Gut geholt, und sie mit der Bewirtschaftung der Mühle betraut.
Gegenseitige Hilfe dieser Art war unter benachbarten Gutsherren nicht unüblich.
Bei der Durchsicht von Mühlen-Angelegenheiten des Depenauer Gutsarchivs gab es die aufschlussreiche Textstelle, der "Krüger in Stolp", Hinrich Theden9, habe im Jahre 1742 dem Cammerherrn und Obristen Christian Detlef v. Brockdorff den Tod der alten Müllerin gemeldet. Mit großer Sicherheit ist Hinrich einer der erwähnten drei Söhne.
Sie seien hier genannt :
1. Joachim ( Johann ) Friedr. Th., (1690 - 1756), Müller zu Stolper Mühle, bekannt durch den Kontrakt von 1737.( Seine Enkelin heiratet den Landinsten Hans Jürgen Riecken in Stolpe / 1891 Einheirat Fr.Brauer, vorher Bäcker im "Pfeifenkopf"!)

2. Hans Th.,(1692 - 1766), Häuersmann Nettelau / Wankendorf. (Seine Nachkommen bewirtschaften die Hufenstellen Missenkamp und Bansrade)
3. Hinrich Th.,(1700-1787), "Kröger zu Stolpe", später Häuersmann in Wankendorf.( Sein Sohn Claus heiratet 1758 Anna Hedw. Kummerfeld, übernimmt die Stelle als Häuersmann und Kröger !!) Hinrich Theden wird also Krüger in Stolpe genannt. Aus unserer Sicht gab es keinen sinnvollen Grund, eine Krugstelle "im Dorf Stolpe selbst" gegen eine ebensolche in Wankendorf zugewiesen zu bekommen. Dieser Wechsel muß aus anderen Gründen notwendig geworden sein.
Wenden wir uns der Stolper Mühle und der Müllerfamilie Theden zu. Hier häufen sich Ereignisse, die auf ein abruptes Ende ihrer Tätigkeiten dort zusteuern.
1739 stirbt der alte Müller, 1742 die alte Müllerin. 1737 erhält deren Sohn Joch. Fr. Theden (erneut?) einen Pachtkontrakt über drei Jahre, bis 1740. Bereits 1741 wird als Müller Daniel Schröder erwähnt, mit dem v. Brockdorf prozessiert. Seit wann J. Fr. Theden seinen Vater als Mühlenpächter auch immer abgelöst haben mag: Im Alter von nur fünfzig Jahren hatte er keinen neuen Vertrag erhalten.
Wir springen in das Jahr 1812, als die jetzt : Depenauer Mühle nach Umbauten und Vergröße- rungen zwecks Annahme durch den Müller Drenckhahn inventarisiert wurde. In dem Inventa11 werden u.a. ein Brennhaus und ein Brauhaus aufgezählt, die durchaus schon längere Zeit Bestand gehabt haben können. Von größtem Interesse ist jedoch die Feststellung, ein Backhaus sei "neu auf den sogenannten Krog hinangesetzt" !! Dieser sogenannte Krog wird im Inventar nicht beschrieben wie alle anderen Gebäude und Räumlichkeiten. Daraus dürfen wir schließen, dass er in seiner ur-sprünglichen Funktion nicht mehr genutzt, sondern nur noch so genannt wurde. Wenn das neue Backhaus darauf hinangesetzt wird ("von Tafelwänden aufgemauert"), dann deutet alles darauf hin, dass ein womöglich bereits ziemlich ramponiertes Gebäude bis auf die Fundamente abgerissen wurde. Aller Wahrscheinlichkeit nach erblicken wir in ihm den gesuchten "Stolper Krug".
Wenn wir nun alle Fakten miteinander verknüpfen, dann dürfen wir uns (bis auf weiteres) folgendes Bild machen :
Während nach dem Vater Clas der Bruder Jochim Friedrich die Pacht der Stolper Mühle innehatte, führte in Nebengebäuden Hinrich Theden den Stolper Krug und vermutlich auch die zugehörige Hufenstelle. Dadurch, dass der Bruder keinen neuen Kontrakt erlangte, verlor auch er seine Krugstelle, weil Mühle, Krug, Hufe etc. zu einem einzigen Komplex gehörten. Der neue Müller, Daniel Schröder, brachte sicher sein eigenes Personal mit. Als Ausgleich erhielt Hinrich in Wankendorf eine adäquate Krug- und Hufenstelle. Der früh verstorbene Krugwirt Joh. Fr. Burmeister wird den Stolper Krug (unter dieser Bezeichnung) als letzter oder vorletzter bewirtschaftet haben.

Diese etwas umfangreiche, aber notwendige Analyse wichtiger Nachrichten aus dem Mühlenbereich stellt den Versuch dar, anhand leider nur geringer Informationen den Vorgängerkrug des "Pfeifen-kopfes" zu orten. Das Ergebnis erscheint plausibel ; es bleibt abzuwarten, ob weitere Einzelheiten unsere Überlegungen bestätigen.

Stolper Mühle :"Ein Dienstleistungszentrum" (1737 ff )

Dass die Stolper Wassermühle am Ort des Austritts der Alten Schwentine aus dem Stolper See lag (und liegt), das ist in der Natur der Sache begründet. Aber auch der Stolper Krug besaß hier einen für die damals herrschenden Verhältnisse ausgezeichneten Standort. Während der Zeit der Leibeigenschaft mußten die Gespanne der Wankendorfer und Stolper Hufner zwecks Erfüllung ihrer Hand- und Spanndienste alltäglich den Engpass zwischen Hügeln und See passieren mit der einzi- gen Querung der Mühlenaue, welche die Leute sehr treffend als "Nadelloch" bezeichneten. Da lag die Mühle immer am Wege und gewiss auch der Krug, wenn während der Mühlengeschäfte bzw. nach Feierabend ein erfrischender Trunk lockte. Ganz in der Nähe konnten auch Pferde beschlagen und Ackergeräte ausgebessert werden. Die einzige Schmiede im Gut befand sich nämlich in "Dpenauer Boest". Diese Ortsbezeichnung ging später verloren, und nur der Zufall brachte sie wieder ans Licht. In dem schon erwähnten Kontrakt mit dem Müller Joch. Friedr. Theden im Jahre 173712 wird diesem
"verheuret...nebst dem Mühlen Hause, und daß dar hinter liegende Land Böst genandt, wie auch die kleinen Höfte, mit den Obst-Bäumen, und dessen vor diesen, bey der Mühle gewesenen Wiesen..."

Entweder war die Schmiede über die Einfahrt zur Mühle erreichbar, oder sie befand sich nahe der Brücke, wo noch heute eine Kate steht.
Zwischen Mühle und Schmiede verlief derzeit die Grenzscheide von Stolper und Depenauer Gemarkung. Die Schmiede machte sozusagen das "Dienstleistungszentrum" komplett. Alles Wirtschaften damals war auf das Gut ausgerichtet. Die Pferde standen bei den Hufnern. Die Menge aller Gespanne und Leute arbeitete tagtäglich auf dem Hofe und den zugehörigen Feldern. Die Straße von Wankendorf über Stolpe zum Hof Depenau wird stark benutzt worden sein und ideal dazu gelegen (auch was die Kontrolle durch die Gutsherrschaft angeht) Mühle, Krug und Schmiede. Nirgendwo sonst hätte den Belangen der übergewichtigen Gutswirtschaft und der in sie eingebundenen Bevölkerung besser entsprochen werden können als in dieser engen Passage, umgeben und geschützt von Hügel, Wald und See.
Dass sich der "Stolper Krug" hier befunden habe, inmitten einer kleinen Ansiedlung von Gebäuden und Katen, das wird angesichts dieser Vorstellungen zunehmend sicherer.

Zeit im Umbruch (Aufhebung der Leibeigenschaft 1805)

Schwieriger Anfang (1806)

Die bisher erste Nachricht über die Existenz des "Pfeifenkopfes" erhalten wir in Form eines Gerichtsprotokolls vom 12. April 1806 , in dem der Wirt Jürgen Riecken als Beklagter genannt wird.
Amtliche Schriftsachen sind unsere ersten Zeugen, darunter ganz wesentlich Gerichtsprotokolle. Dass Jürgen Riecken sich mit einer Strafsache einführt, das wollen wir nicht kommentieren. Im Jahre 1804 waren in Stolpe 18 Gebäude einem Großfeuer zum Opfer gefallen, und wahrscheinlich bezieht sich J. Rieckens Tätigkeit auf das Heranschaffen von Baumaterial für den Wiederaufbau. Das Protokoll lautet :

Jürgen Riecken im "Pfeifenkopf" war in Untersuchung gekommen deswegen, weil er sich eines falschen Zettels unter dem Namen des Zimmermeisters Lembrecht bedient, um Verabfolgung einer Parthie Bauholz zu veranlassen, welche Verabfolgung auch wirklich geschehen war. Deshalb konnte er auch nicht leugnen, daß er den sub prodeato vom heutigen Tage zu den Acten gekommenen Zettel selbst geschrieben und den Namen des Zimmermeisters Lembrecht gemißbraucht habe; allein er führte zu seiner Entschuldigung an, daß er damit keinen Betrug der Herrschaft oder irgend einen anderen beziehlet habe, sondern nur in der Verlegenheit, worin er als Unternehmer eines herr-schaftlichen Baus gewesen, sich in der Geschwindigkeit zu halten gesucht, das Holz auch wirklich zum herr-schaftlichen Baue verbraucht worden. Er sähe zwar sein Unrecht ein, allein er bäte sehr, auf die vorgebrachten Umstände Rücksicht zu nehmen und ihn nicht mit einer zu schweren Strafe zu belegen. Hierauf ist erkannt : daß unter vorwaltenden Umständen der Jürgen Riecken im "Pfeifenkopf" zu einer Geldstrafe von 5 Reichsthalern und die heutigen Gerichtsgebühren zu erstatten schuldig sey."

Der Begriff "herrschaftlich" bezeichnet die Gutsherrschaft als Eigentümer. - Indem wir hier und später Protokolle in ganzer Länge präsentieren, wollen wir gewiss niemanden vorführen. Wir denken aber, so viel volkskundliches Wissen dem Leser nicht vorenthalten zu sollen. Gerade das Zeitkolorit macht unsere Darstellung lebendig und lesbar.

Ermahnung an die (!) Krüger (1810)

Ob die Kriegswirren - Napoleon hatte mit Dänemark auch Holstein besetzt, um seine gegen England gerichtete Kontinentalsperre zu komplettieren - die Bevölkerung sonderlich beunruhigten, ist nicht bekannt. Es scheint aber, dass die (!) Krüge im Gut sehr nachgefragt waren, und die Polizeistunde häufiger als üblich überschritten wurde.
Eine Ermahnung vom 6. März 1810 besagt :

"Es wurden die beiden Krüger Asmus Lütjohann aus Wankendorf und Jürgen Riecken im "Pfeifenkopf " aufgefordert und ihnen angedroht, daß sie bey Gefängnisstrafe im Sommer nicht nach 10 und im Winter nach 9 Uhr Gäste bey sich haben sollen, auch bey derselben Ahndung nicht ohne herrschaftliche Erlaubniß sogenannte Fastnachtlustbarkeiten anstellen dürfen, wobei ihnen zu erkennen gegeben ward, daß sie darüber noch einen besonderen schriftlichen Befehl erhalten sollen."

Uns fällt nicht nur der Hinweis auf Fastnachtsbräuche auf, sondern auch die Ansprache zweier Krüge, wobei der dritte, bei der Mühle befindliche, als gutszugewandt nicht einbezogen wird. Wir hörten bereits von dem Umzug des einstigen Wirtes des Stolper Kruges, Hinrich Theden, nach Wankendorf, und dass hier zumindest sein Sohn Claus als Bewirtschafter einer Häuerstelle auch die sozusagen ererbte Krügertätigkeit fortsetzte. Schon in der Volkszählung von 1803 wird als Wankendorfer Krüger Asmus Lütjohann genannt. Hier hat eine augenscheinlich generationsbegründete Ablösung stattgefunden, ohne dass ein verwandtschaftlicher Zusammenhang deutlich wird. Wir gehen aus guten Gründen auf die Wankendorfer Krüger-Verhältnisse ein, weil sie uns später durch das Riecken-Engagement wichtig werden sollen. Deswegen seien hier die drei uns bekannten Krüger aufgeführt :
1 Hinrich Theden 1700-1786Krüger in Stolp/Häuersmann in Wankendorf oo 1726 Anna Horst 1700-1772
2 Claus Theden, 1727- ?, Häuersmann und Krüger in Wankendorf oo 1758 Anna Hedewig Kummerfeld, 1740-?,Vehrenrögen
3 Asmus Friedrich Lütjohann, 1759-?, Häuersmann und Krüger in Wankendorf oo 1790 Margarete Oelgard Eggers, 1769-?,Claskuhlen

Kriegswirren (1814)

Da einerseits über Jürgen Riecken in seiner Tätigkeit als Gastwirt nicht gar so viel vorliegt, andererseits die hineinspielende Zeitgeschichte zu Wort kommen sollte, wollen wir ein Protokoll über die Zeit schwedischer Besatzung während des Befreiungskrieges gegen Napoleon anbieten. Im August 1814 war der Waffenstillstand abgelaufen, und die schwedischen Truppen rückten von neuem gegen die gezwungenermaßen mit den Franzosen verbündeten Dänen vor. Die Bauern mußten für die Schweden Fuhren leisten. Da war der "Pfeifenkopf" ein markanter Treffpunkt, und Jürgen Riecken wurde Zeuge , wie die "Besatzungsmacht" seinem Nachbarn, dem Schmied Wüstenberg, ein Pferd ausspannte.

Geschehen Depenau den 29 ten August 1814

In Gegenwart der Gerichtshufener, des Bauernvogts Claus Jürgen Theede aus Stolpe und des Hufeners Hinrich Sieck eben daher.(Missenkamp bzw. Bocksberg)

Causa 36. Abhörung der Hufner Hinrich Christian Sieck (Ellerstrücken) und Jürgen Riecken über den Verlust und Werth eines dem Schmidt Wüstenberg Abhanden gekommenen Fuchs Wallachs.
Die vorbenannten Hufener Hinrich Christian Sieck und Jürgen Riecken waren ebenfalls als Beweißzeugen von dem Schmidt Wüstenberg wegen eines angeblich ihm abhanden gekommenen Fuchs Wallach producirt worden, wurden als Zeugen verpflichtet und deponirten in dieser Hinsicht folgendes:
Der Schmidt Wüstenberg und sie, die beiden Zeugen, wären nebst mehreren anderen, während der Kriegsunruhen angesagt, sich beym Pfeifenkopf nebst Wagen und Pferden einzufinden, um von dort Bagage nach Kiel zu fahren. Sie hätten dieser Requicition Folge leisten müssen, aber eine ganze Nacht gewartet, ohn sie befördert worden. Am Morgen sey endlich ein schwedischer Offizier gekommen und da er das Pferd des Schmidts Wüstenberg bemerkt, habe ihm solches gefallen, worauf er es sofort ausspannen lassen und ein anderes dafür gegeben.
Zeugen schätzten den Werth des dem Producenten genommenen Pferdes auf 128 Rbthl, den Werth desjenigen aber welches er wieder bekommen, auf 50...

Vorstehende Aussage ist den Zeugen vorgelesen, von ihnen genehmigt, und sie darauf entlassen.

Obwohl um diese Zeit das Gut Depenau erstmals in Konkurs ging, und ein Jahr später der Hof und die Dörfer getrennte Herrschaften erhielten, blieben Verwaltung und Gerichtsbarkeit beim Gut. Regelmäßig wurden in Depenau Gerichtstage gehalten, zu denen ein zum Vorsitzenden ernannter Justitiar eigens aus Kiel anreiste. Im Wechsel nahmen je zwei Hufner als Beisitzende an den Verhandlungen teil. Hier ging es natürlich wie in einer Reihe ähnlicher Fälle um die Entschädigung von Kriegsfolgen.

Jürgen Christ. Riecken im "Pfeifenkopf (1806-1832)

Jürgen Christian Riecken, Gastwirt und Hufner in Stolpe, wurde am 23.4.1776 geboren. Seine Eltern waren der Inste in Stolpe, Claus Riecken, sowie Magd. Elisab., geb.Sieck.
Am 15.5.1800 heiratete er Doroth. Helmers, Tochter des Verwalters Nicolaus Ulrich Helmer in Freesenburg bei Oldesloe.
(Sein einziger Bruder Claus Hinr.heiratete ein in die Landinstenstelle Hans Jürgen Riecken in Stolpe / ab 1891 Bäcker, Höker, Landmann Friedr. Brauer )
Nicht bekannt sind die Umstände, welche Ferdinand Graf Luckner veranlaßten, Jürgen R.die Bewirtschaftung der sehr wahrscheinlich neu errichteten Krug- und Hufenstelle nach der Affäre von 1806 weiterhin anzuvertrauen. Der war Nationalsoldat gewesen, etwa 30 Jahre alt und bekam offensichtlich eine zweite Chance.

Das Erdbuch des Stolper Dorffeldes von 1810 zählt 11 Voll- und 6 Halbhufen auf, für die "der bisherige Besitzer des Dorfes ( diese Feststellung wird 1815 getroffen, s. u. ) vorläufige Bedingungen zu einer Vererbpachtung getroffen" hat. Darunter befinden sich nicht Müller, Fischer, Schmied und Wirt, zu deren Stellen doch auch teils ansehnliche Ländereien gehörten. Da sie aber von der Gutsherrschaft mit Sonderrechten (dem Monopol ihrer jeweiligen Tätigkeit im gesamten Gutsgebiet) ausgestattet waren und besondere Erträge erbrachten, behielten sie eine größere Bindung an das Gut. Später (seit 1815 oder 1823 ) entrichteten sie ihre Pacht für das Land an die Dorfherrschaft, diejenige für die Sonderrechte an die Gutsherrschaft.

1809 erwarb der Besitzer von Bockhhorn, der Kanonikus Casp. Heinr. Schlüter, das Gut Depenau. Nach dessen Konkurs (1813) ersteigerte der Obergerichtsadvokat Scheel aus Itzehoe die Dörfer Stolpe und Wankendorf. Carl Nicol.v.Luckner behielt die Güter Depenau, Löhndorf und Nettelau. Ein erneuter Konkurs brachte die Dörfer 1823 in den Besitz von Senator Jänisch, dem bereits das Gut Perdoel gehörte.

Mit diesem Zeitpunkt kam endlich Ruhe in die Verhältnisse. Was bereits vorbereitet war (die Vererbpachtung) oder sich noch in Gärung befand (das aufkommende Handwerk und Gewerbe), das konnte jetzt in Ordnung gebracht werden. Für die Erbpächter wird ein Schuld - und Pfandprotokoll errichtet (ein Vorläufer des Grundbuches), in dem jeder Besitz ein Folio erhält. Hier wird der Besitz beschrieben, sind Lasten, Abgaben, Pflichten und Versicherungen genannt. Uns interessiert auszugsweise die "Beschreibung der Hypothek" des "Pfeifenkopfes" :

Wir erfahren die Größe des Landbesitzes von über 25 Tonnen, die an anderer Stelle als 1/4 Hufe klassifiziert wird, tatsächlich um einiges darüber liegt. Die Bauweise der Häuser mit Steinwänden läßt auf eine Neuanlage des Hofes schließen. Sollte das Backhaus "mit Lehmwänden" hingegen vielleicht doch eine ältere Anlage bezeugen, die möglicherweise bei dem bereits erwähnten Großfeuer von 1804 zerstört wurde? Hatte sich hier eine der nach der Verkoppelung in die Feldmark verlagerten Hufenstellen befunden ?

Überaus wichtig für unsere Betrachtung hinsichtlich der Bedeutung des "Pfeifenkopfes" und auch Stolpes im Gutsbereich ist die Verleihung des Rechtes "der ausschließlichen Befugnis, Krugwirthschaft und Hökerei über beide Dörfer Stolpe und Wankendorff zu treiben". Spätestens zu diesem Zeitpunkt mußte der Wankendorfer Krüger Lütjohann schließen. Wenn wir nun noch hinzufügen, dass mit dem Besitz der Schmiede in Stolpe ebenfalls "der Schmiedezwang über beide Dörfer" verbunden ist, dann wird endgültig klar, dass das "Dienstleistungszentrum", die wirtschaftliche Mitte, sich definitiv von Depenau nach Stolpe verschoben hat. Zwar bleibt natürlich die Mühle an Ort und Stelle - und nach dort sind weiterhin alle Hufenstellen zwangspflichtig -, jedoch befinden sich Mühle und Hof jetzt in einer Randlage.

Wankendorf musste seine untergeordnete Rolle noch knapp ein halbes Jahrhundert hinnehmen, ehe sich wiederum die Gewichte verlagern, dann endgültig zugunsten dieses Dorfes.

Ein vielseitiger Betrieb in seiner Blütezeit (1824)

Der "Gasthof zum Pfeifenkopf" ist nun ein außerordentlich lebhafter Betrieb : Die Landwirtschaft will besorgt, Waren zur Versorgung der Dörfer müssen ständig herangeführt werden, Gäste sind zu bewirten und schließlich werden noch Backwaren hergestellt.
Die Vielseitigkeit der hier ausgeübten Gewerke und Gewerbe bedarf an dieser Stelle einiger grundsätzlicher Bemerkungen. Während der Zeit der Leibeigenschaft gab es Handwerker ausschließlich auf dem Hof. Die Bevölkerung versorgte sich nach Möglichkeit selbst. Man verstand sich auf Reparaturen aller Art. Die Gutsherrschaft forderte sogar diese Eigenleistung z.B.zwecks Erhaltung "herrschaftlicher" Gebäude. Noch heute gibt es auf Bauernhöfen die sog. Klüterkammer.Nach der Aufhebung der Leibeigenschaft (1805), erst recht nach der Trennung der Dörfer vom Hof (1815,1823), entwickeln sich Handwerk und Gewerbe aus kleinen Anfängen. Am 28.1.1824 erscheint erstmals eine Liste aller konzessionierten Handwerker und Gewerbetreibenden im Gut. Die meisten unter ihnen mögen schon Jahre ihrer Beschäftigung nachgegangen sein, doch jetzt wurde diese amtlich sanktioniert und forthin streng geregelt. Der Antrag auf Konzession wurde von der Gutsherrschaft nach Qualifikation und Bedarf geprüft, entsprechend befürwortet oder auch nicht; sodann wurde die Konzession günstigenfalls höheren Orts erteilt.

28.1.1824
Namens Sr. Königl. Majest.
erhält eine der "hier neben angeschlossenen Allerhöchsten Concessionen"
N° 12 für Jürgen Riecken zu Stolpe zur Treibung einer Weißbäckerei
N°14 Gewerbe: Weißbäckerei, "Demselben ist auch von der Königl. Commission eine Concession zur Treibung der Hökerei und Krügerei ertheilt"

Die vielseitig bewirtschaftete Krugstelle in Stolpe scheint von Jürgen Riecken auch künftig als so gewinnbringend angesehen worden zu sein, dass er sich im Jahre 1829 zum Kauf der 8.Stolper Hufenstell22 entschloß. Diese hatte der Schmied Aug. Conr. Wüstenberg bereits 1810 käuflich erworben, bevor die anderen Stellen vererbpachtet wurden. Wüstenberg war mit Doroth. Drenckhahn verheiratet gewesen, so dass bei seinem Tode (1825) die Vollhufe von dem Mühlenpächter Detlef Aug. Drenckhahn übernommen wurde.
Die Hufenstelle N°8 hatte in Stolpe zwischen den heutigen Bauernstellen Steinfeld und Böttiger gelegen, wo sich früher der Schul-Sportplatz befunden hatte und heute die Bau- u. Möbeltischlerei Adolf Riecken steht. In den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde sie als Ausbau an die Landstraße verlegt (Bauernstelle Holm).
Wie damals üblich, wurde wegen der möglichen Ansprüche Dritter, diese Angelegenheit "publicirt", je dreimal in den Schleswig- Holsteinischen Anzeigen, dem Altonaer Merkur, dem Preetzer Wochenblatt, in der Bornhöveder Kirche und - im Pfeifenkopf !
Am 22.12.1832 verstarb Jürgen Christian Riecken im 57. Lebensjahr. Er hinterließ seinen Nachkommen gewiß ein aufblühendes Anwesen.

Die Volkszählung von 183523 in Stolpe, N° 46, Hufengebäude, Pfeifenkopf, Stolper Krug :
Doroth. Riecken 55 Jahre Witwe, Besitzerin, Erbpächterin
Johann R. 35 unverh.
Dorothea 20 unverh.
Hans 17 unverh.
Matthias Helmer 45 Jahre Bruder der Witwe
Joh. Mannsfeld 61 Kostgänger (Zimmermstr. im Gut)
Hans Schlüter 29 Knecht
Doro. Krogmann 19 Mädchen
Anna Eggers 17 Mädchen

Spätere Informationen über die Kinder von Jürgen Riecken24 :
Johann Hinrich Bäcker im Pfeifenkopf der Nachfolger als Stellenbesitzer
Asmus Friedrich Grobschmied zu Depenau später in Rehorst
Cath. Magdal. (auf ihr Schiksal wurde eingangs verwiesen)
Doroth. Elisab. oo Hinr. Chr. Ivens, Gastwirt der "Ihlkate" in Kiel / Russee
Hans Christian Hufner Hufenstelle N° 8 in Stolpe

Bei Kock wird der Begriff "Rieckbagen" für die alte Depenauer Schmiede nachgefragt : Mit "Bagen" könnte der für eine damalige Schmiede charakteristische große Torbogen gemeint gewesen sein. Nun haben wir uns in seiner Öffnung nur noch die imponierende Gestalt eines Schmiedes vorzustellen; eben die des zu jener Zeit in Depenau wirkenden Asmus Fr. Riecken (auch Rieck gebräuchlich).

Johann Hinrich Riecken im "Pfeifenkopf" (1845-1882)

Die Witwe Dorothea Riecken als Vormünderin ihrer Kinder (1832-1845

)

Kiel, den 24. Decbr.1835 ward diese Stelle nach dem Ableben des früheren Besitzers dessen Witwe Dorothea Riecken c.c. et assist. als natürlicher Vormünderin ihrer Kinder zugeschrieben.
Der älteste Sohn des verstorbenen Gastwirtes zum "Pfeifenkopf", Johann Hinrich Riecken, wird sehr bald die Bewirtschaftung der Krugstelle übernommen haben, wenn auch seine Mutter nominell Besitzerin blieb.

Volkszählung vom 1. Febr. 184527 Stolpe N° 50 Wirtshaus
Johann Riecken 45 Jahre Gastwirt
Christiane Haack 40 Ehefrau
Hinrich 9 Kind
Albrecht 6
Andreas 5
Nicolaus 3
Antoinette 2
Dorothea Riecken 65 Witwe, Altentheilerin
Claus Schlüter 26 unverh. Knecht
Sophia Duggen 37 Witwe, Dienstmädchen
Friederica Müller 23 unverh.
Sophia Hansen 22 unverh.
Dorothea Duggen 16 unverh.

Die Ehefrau von Johann Hinr. R., Christiane, geb. Haack, starb 1846. Joh. Hinr. wurde früh Witwer und blieb es.
Seine Mutter verstarb am 21 6. 1845. Die Erbauseinandersetzungen zogen sich hin bis in das Jahr 1849.

Kiel, den 17. Febr. 1849 ward diese Stelle.....von Jürgen Riecken dessen Sohn Johann Hinr. Riecken zugeschrieben.28

Im Jahre 1853 werden die Versicherungs-Leistungen aktenkundig gemacht29
Wohnhaus von 17 Fach lang 112 Fuß breit 43 Fuß zu 2 500 Rthl
Backhaus von 4 Fach lang 23 Fuß breit 19 Fuß zu 110 Rthl.
Kathe von 5 Fach lang 36 Fuß breit 30 Fuß zu 400 Rthl
Wagenremise von 6 Fach lang 44 Fuß breit 20 Fuß zu 180 Rthl
Schweinekoben von 6 Fach lang 42 Fuß breit 12 Fuß zu 150 Rthl

Wagenremise und Schweinekoben sind gegenüber 1824 hinzugekommen. Das spricht für ein erhöhtes Fuhr- u. Gästeaufkommen bzw. vermehrten Versorgungsbedarf. Die Krugstelle floriert und dehnt ihre Möglichkeiten offensichtlich aus.
Das Fach als Bauelement maß etwa 2,00 m, ein Fuß als Längenmaß gute 28,5 cm. Das Wohnhaus (mit Flügel = B!) besaß also ganz schöne Ausmaße.

Der "Pfeifenkopf"-Wirt wacht über seine verbrieften Rechte (Z.B. 1845/46)

Johann Hinrich Riecken übernahm den "Pfeifenkopf" in einer sehr schwierigen Zeit. Die Kartoffelfäule bedrohte immer stärker dieses Grundnahrungsmittel, so dass die Preise für Nahrungsmittel allgemein anstiegen. Viele Insten fanden keine Arbeit und infolge steigender Bevölkerungszahlen wurde auch der Wohnraum knapp.30
Vielleicht ist darauf zurückzuführen, dass Joh. R. eifersüchtig über die Einhaltung seiner Rechte wachte. Die Geschäfte gingen zurück, während andere in seinen Gefilden "wilderten". Das trifft allerdings kaum für den ersten der zu schildernden Fälle zu :
Am 15.Oktober 1845 kam gelegentlich eines Depenauer Gerichtstages der Bauervogt (= Bürgermeister) in Wankendorf , Asmus Friedr. Riecken, in Untersuchung wegen unbefugter Treibung der Krugwirtschaft32
Unter Causa 52 (der 52. Fall in jenem Jahr) heißt es :
In Anleitung einer eingegangenen Beschwerde des Gastwirths und Hökers Riecken im Pfeifenkopf wider den Bauervogt Asmus Riecken in Wankendorff war letzterer auf heute vorgefordert und erklärte auf Mitteilung : Er sei seit 33 Jahren Bauervogt in Wankendorff und leugne, Krugwirthschaft zu treiben oder getrieben zu haben. Indessen wolle er damit nicht in Abrede gestellt haben, gelegentlich einen Schnaps für Geld zu verschenken, was sich auf bestimmte Veranlassungen beschränke. Dergleichen sei es, wenn die jungen Leute im Dorfe mit gutsherrschaftlicher Bewilligung, was etwa 3, auch wohl 4 mal im Jahr der Fall gewesen, Lustbarkeit in seinem Hause gehabt. Ferner sei es Gewohnheit, daß, wenn die Bauernschaft versammelt, auch Schnäpse an die, welche sich eingefunden, verschenkt würden, und wären dergleichen Zusammenkünfte gemeiniglich auf die Erbpächter beschränkt; nur in höchst seltenen Fällen wären auch andere Leute einberufen. Die ältesten Leute im Gute würden bezeugen können, daß jenes ihm zum Vorwurf gemachte Schenken der Bauervögte seit Menschengedenken stattgefunden, und würde er nöthigenfalls darthun können, daß seine Vorgänger in Amte, die beiden Sieck, es noch ärger gemacht."

Das Urteil in dieser Sache liegt nicht vor, ist für uns auch nicht von Bedeutung. Wichtig hingegen ist zu wissen, wie genau auf die Einhaltung der Sonderrechte geachtet wird. Es gibt eben noch keine Gewerbefreiheit.

In einem anderen Fall von 1846 heißt es :

Causa 20. Denunciation des Hökers zum "Pfeifenkopf" wider den Landinsten Claus Schlüter zu Stolpe wegen unbefugter Treibung der Hökerei.

"Der Höker Riecken zum "Pfeifenkopf" trug klagend wider den Landinsten Claus Schlüter vor, ungeachtet erst mittelst Erkenntnisses vom 11. Febr. d. J. , da mehreren Depenauern und namentlich auch dem Citaten Schlüter bei Vermeidung einer Brüche von 5 / 20 Rthl. die Treibung von Hökerhandel untersagt worden, habe Citat gleichwohl wiederum Käse und Tabak, und zwar an Citanten selbst, der diese Artikel durch den Weber Tietgen und einen seiner Leute habe fordern lassen, verkauft, weshalb er auf Erkennung der angedrohten Brüche antrage. Schlüter leugnet, Tabak an irgend jemand verkauft zu haben, gestand jedoch ein, Käse aus seinem Hause verabfolgt zu haben, indem er der Meinung gewesen, daß, weil er einen Hausirschein besitze, er auch selbst Waren aus seinem Hause verkaufen dürfe. Auf den Vorschlag des Gerichts nahm Citant seinen Antrag auf Bestrafung für diesmal zurück, wenn Schlüter nur für die Zukunft sich jedes unerlaubten Hökerhandels enthalten und sich dem unterwerfen wolle, daß derselbe in die höchste wider ihn angedrohten Brüche, bei dem nächsten Contraventionsfall verurtheilt werde. Schlüter versprach für die Zukunft, sich jeder unerlaubten Hökerei zu enthalten, und ward ihm vom Gerichte abermals angedroht, daß er bei der nächsten Contravention ohnfehlbar in 20 Rthl. Brüche werde verurtheilt werden."

Johann R. zeigt sich als harter, aber im Recht befindlicher Verfechter seiner Interessen. Das Gericht urteilt insofern milde - das fällt immer wieder auf -, als es den Beklagten eine zweite Chance bietet. Diese Art des Urteilens scheint den damaligen Verhältnissen angemessen gewesen zu sein und gefruchtet zu haben. Ottilie Riecken Reber, wir lernten sie bereits als Chronistin kennen, verweist auf andere Seiten des Johann R.33:

"Großvater zog seine Kinder auf mit Hilfe einer Haushälterin und eines Privatlehrers. Alle Kinder erhielten Musikerziehung. Großvater war ein sehr gebildeter Mann, u.a. beherrschte er die englische Sprache. ....... Er führte einen Laden in Stolpe. Vor der Zeit der Eisenbahn holte er die benötigten Waren über weite Strecken von Plön, Kiel und Neumünster mit Hilfe eines Gespannes schwerer Pferde."

Auch der zweite Teil dieser Aussage ist im Hinblick auf das damalige Transportwesen recht interessant.

Zwielichtige Geschäfte (1847)

Gasthäuser beherbergen Reisende, die sich erholen und erfrischen wollen. Sie dienen fröhlicher Geselligkeit, dörflichen und familiären Festlichkeiten. Doch manchmal mochten sie auch heimlicher Treffpunkt für Leute sein, die hier zwielichtige Geschäfte verabredeten oder tätigten.
Eine solche Geschichte liegt ebenfalls vor, und da Beschuldigte namentlich nicht genannt werden, sollte diese Facette nicht fehlen :

Registratur "Pfeifenkopf", den 23. Nov. 1847

Causa 57. Vernehmung des Gastwirths Riecken34, in Anleitung eines Verschreibens des Wensiener Justitiariates.

"Auf Veranlassung mitgetheilten Verschreibens des Wensiener Justitiariates an die Depenauer Gutsherrschaft hatten sich Unterzeichnete hieselbst unangemeldet zur Vernehmung des Gastwirths und Erbpächters Johann Hinrich Riecken über die angeblich in seiner Behausung verhandelten Stücke Wild, und eventl.von dessen Hausgenossen eingefunden, und ward demzufolge der benannte Riecken zur wahrhaften Aussage über dasjenige, was in bewegter Angelegenheit zu seiner Kunde gekommen, aufgefordert.
Er bemerkte auf Befragen, zu heißen wie benannt, 47 Jahre und Gastwirt hier im Pfeifenkopf zu sein, und daß es mal möglich sein könne, daß sich die im angezogenen Schreiben bemerkten Hans Christian Riecken, dessen Bruder, der Tischler, der Weber Tietgen und der Schäfer Andreas Steltmann am 4.Octbr.hier eingefunden haben könnten. Der benannte Tietgen und der Schäfer Andreas Steltmann waren nämlich beide seine Miethsleute in einer benachbarten Kathe, letzterer wenigstens insofern, als er sich oft bei seiner Braut, einer gewissen Magdalena Riecken, die sich bei ihm (dem Wirt !) angehäuert, aufhalte. Daß sie am bemerkten Tage hier gewesen, erinnere er aber nicht mit Bestimmtheit. Ein Gleiches gelte von der Anwesenheit des Rathje Sachau von Bornhöved, der sich mitunter als Aufkäufer hier einfinde, was namentlich im verflossenen October Monat, wenn er recht erinnere, zweimal der Fall gewesen.Es sei dies in der Absicht geschehen, um Äpfel einzukaufen, die er aus dem benachbarten Dorfe erhalte. Er sei beidemal am selben Tag gekommen, ob aber am Nachmittag oder am Vormittag, sei ihm entfallen. Daß er aber Wild von den benannten Personen eingehandelt, sei ihm gänzlich unbekannt und könne er darüber die bündigste Versicherung ertheilen; daß sie die in Frage stehenden 3 Stücke Wild ohne sein und der Seinigen Wissen ins Haus gebracht, halte er auch durchaus für unmöglich, kann aber nicht dafür einstehen, was in der Scheune vorgefallen. Von seinen Hausgenossen, namentlich seiner vormaligen Haushälterin Lüders, jetzt im Gute Rohlstorf zu Qual, seinen beiden Mädchen Elise Lauenstein und Dorothea Tietgen, seinem Knechte Fritz Kuhlmann und seinem damaligen Dienstjungen Hans Riecken habe er auch nicht von der Sache reden hören, und halte es für unwahrscheinlich, daß sie die Sache ganz unerwähnt gegen ihn gelassen haben würden. Begreiflich könne er aber nicht ganz in solchem Betrachte für seine Leute einstehen. Sollte aber ein Wildverkauf statt gehabt haben, würde man nach seinem Dafürhalten eher die von Tietgen und der Riecken bewohnte Kathe als sein Gasthaus, in welchem so manche Personen ein- und ausgingen, gewählt haben. Vorstehendes sei seine wohlüberlegte wahrhafte Aussage über die ihm vorgelegten Fragen.
V G und mit unterzeichnet"

Joh. Hinr. Riecken
Dem Comparenten ward zur Pflicht gemacht, von der Aussage der Sachen bis weiter niemandem Mittheilung zu machen.

F.Boie J.W. Reimers

Aus der Perspektive der Gerichtsprotokolle erschließen sich Teile der damaligen Lebensverhältnisse. Gasthäuser waren damals auch amtlich genutzte Stätten, weil sie allgemein zugänglich waren und die entsprechenden Räumlichkeiten boten. Nicht nur, daß alles, was von öffentlichem Interesse war, Erlasse, wichtige Veränderungen, Termine etc., in den Dorfgasthäusern ausgehängt wurde - auch Verhandlungen und Anhörungen, welche die gutsansässige Bevölkerung betrafen, wurden hier abgehalten.

Amtsgeschäfte im "Pfeifenkopf" (1854)

Wie schon angedeutet, führten um die Mitte des vorigen Jahrhunderts auf dem Lande Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und Teuerung zu größtem Elend unter den Insten und Tagelöhnern. So kam es allenthalben zu Aufruhr und Rechtsbruch. In diesem Zusammenhang wurden auch die diesbezüglichen Zustände in den Dörfern Stolpe und Wankendorf untersucht.

Der Hofjägermeister Graf Baudissin von Sophienhof als Vorsitzender der Deputation des Preetzer adeligen Güterdistriktes fordert mit Schreiben vom 20.Jan.1854 die Gutsherrschaft zu entsprechendem Handeln auf 35:

".......Da ferner in dem angeführten Commissario des Königl. Ministerio dem Unterzeichneten aufgetragen worden ist, sich auf sonst geeignete Weise über die derzeitigen Zustände in den Dörfern Stolpe und Wankendorf zu unterrichten, so muß derselbe die verehrliche Gutsobrigkeit ersuchen, gefälligst nachstehende Personen auffordern zu wollen, sich am Freitag, dem 27. d. Mts. Morgens 10 Uhr im Depenauer "Pfeifenkopf" einzufinden, um über diese Verhältnisse von dem Unterzeichneten zu Protocoll vernommen werden zu können :
1. Die Bauervögte der Dörfer Stolpe und Wankendorf
2. Die betheiligten Armenvorsteher
3. Die Tagelöhner Hinr. Tietgen und Hans Sieck
welche (alle) am 1. May 1847, Namens der Commüne, eine Beschwerde bei der vormaligen K. Schl. Holst. Regierung vorgebracht haben.
( Dazu ) 4. Wer sonsten über die gegenwärtigen Verhältnisse Aufschlüsse zu ertheilen im Stande sein würde."

Über den weiteren Verlauf der Untersuchung ist an dieser Stelle nicht zu sprechen .Es sollte lediglich der Umfang unterschiedlicher Funktionen des Stolper Gasthauses dargestellt werden. Wenn wir uns -wie hier- scheinbar vom Thema entfernen, so sei noch einmal wiederholt, daß Zeitereignisse und Gerichtsprotokolle z.B .nach unserer Meinung hervorragend und geradezu unerlässlich geeignet sind, die Geschichte, eben auch die des "Pfeifenkopfes", seiner Bewohner und der Bevölkerung rund umher, mit Leben zu erfüllen.
Die persönliche Geschichte des Gastwirtes Johann Hinrich Riecken ist noch nicht beendet. Das nächste Kapitel beginnt mit dem Brande des "Pfeifenkopfes", der einen Einschnitt darstellt. Wir wollen sehen, wie der Wirt diesen Schlag verkraftet, und ob er zu einem Neuanfang fähig sein wird.

In eine neue Zeit

Brand und Wiederaufbau (1863/64)

Am 19.Juli 1863 brannte der reethgedeckte "Pfeifenopf" ab. Die Schwester von Johann Hinrich Riecken kam, wie bereits vernommen, in den Flammen um. Er selbst trug Verbrennungen davon,die auch seine Sehkraft schädigten. Weder das "Plöner Donnerstagsblatt" noch die "Preetzer Zeitung" erwähnen übrigens für den fraglichen Zeitraum das Feuer im "Pfeifenkopf", obwohl infolge starker Gewitter "in Dänemark" über Brände berichtet wird . Für die Zeit des Wiederaufbaus wohnten die Familienangehörigen in der zum Gasthof gehörenden Altenteilskate. Denkbar und sehr wahrscheilich ist, dass die Familie, voran der Krüger, das bisherige Angebot des Pfeifenkopf-Betriebes, soweit möglich, aufrechtzuerhalten trachtete. Zumindest wird der Verkauf von Höker-Waren unter improvisierten Bedingungen fortgeführt worden sein, vielleicht auch ein Stubenausschank. Doch sind das Mutmaßungen; es ist nichts überliefert worden.

Im Jahre nach dem Brande findet erneut eine Volkszählung statt, knapp 20 Jahre nach der vorhergehenden.

Volkszählung von 186437 Stolpe N° 7 Wirtshaus zum Pfeifenkopf
Johann Riecken 64 Jahre Witwer, Hausvater - Höker u. Bäcker
Hinrich R. 28 unverh.
Albrecht R. 25 unverh.
Antonie R. 20 unverh.
Friedr. Wolfram 23 Jahre Bäckergeselle
Johann Lühr 23 Haus- u. Fuhrknecht
Emil Schyth 19 Bäckerlehrling (Sohn d. Lehrers in Stolpe)
Anna Witt 24 Köchin
Doro. Mißfeldt 20 Stubenmädchen

Uns fällt auf, dass die derzeitigen Wohnprobleme entweder bereits behoben waren bzw. unerwähnt blieben. Joh. R. erhält nicht die Bezeichnung "Hufner", obwohl wir wissen, dass eine gute Viertelhufe zur Krugstelle gehört. Er ist jetzt 64 Jahre alt und führt seinen Betrieb gewissermaßen von der Gaststube aus. Für alle anderen Tätigkeiten sind Fachkräfte zuständig.

Die Gebäudesteuerveranlagung von 186742 beschreibt die Krug- und Landstelle des Krügers und Hökers Johann Riecken :

A Ein Wohnhaus mit geräumigem Hofraum und Garten massiv Schieferdach 5 heizbare Zimmer 1 Tanzsalon 8 Kammern Küche Keller Backkeller

B Eine Scheune massiv Strohdach Raum für 3 Pferde 10 Kühe 1 Tenne

C Ein Waschhaus mit Stallgebäude Fachwerk Strohdach Waschraum 6 Schweine Federviehstall

D Eine Kathe mit Garten Fachwerk und Strohdach 2 heizbare Zimmer 2 Kammern Küche Keller 2 Viehställe

E Ein Kegelhaus massiv mit Schieferdach
Die Bahn liegt frei. Kegelhaus als Raum für die Spieler.

Der Wiederaufbau des "Pfeifenkopfes" in modernerer Ausführung scheint, wie wir sehen werden, die Willens- und Vorstellungskraft des J. Riecken beflügelt zu haben. Die zerstörte Stelle hatte 60 Jahre auf dem Buckel gehabt, die Zeit zweier Generationen. Das ist für ein Gebäude gewiss kein großer Zeitraum, aber es hatten inzwischen deutliche Veränderungen stattgefunden. Die Bevölkerung war anspruchsvoller geworden. Den Wünschen kam Riecken mit der Einrichtung eines "Tanzsalons" (man bemerke die werbewirksame Bezeichnung !) und einer Kegelbahn natürlich gern entgegen.
Der "Pfeifenkopf" findet zweimal Erwähnung im Zusammenhang mit dem Neubau eines Schulgebäudes in Stolpe.
Der Bornhöveder Pastor in seiner Eigenschaft als Ortsschulinspektor notiert in seinem Bericht: "Am 16.November 1876 fand unter lebendiger Teilnahme einer großen Anzahl von Schulinteressenten die feierliche Einweihung statt...Hernach Festmahl im "Pfeifenkopf"mit etwa vierzig Teilnehmern." Weiterhin wird vermerkt, dass während der Bauarbeiten "der Unterricht auf dem allerdings sehr geräumigen Oberboden des Wirtshauses hatte gegeben werden müssen". (Visitations-Protokolle, Kirchenarchiv Bornhöved, Herr Fischbeck)

Große Ereignisse in diesen Jahren sollten die Bedingungen wirtschaftlichen Denkens und Handelns grundsätzlich verändern.
Die Preußen hatten durch den Krieg (gemeinsam mit den Österreichern) gegen Dänemark Schleswig-Holstein zu ihrer Provinz machen können. Schon vorher waren die Schleswig-Holsteiner mit ihrer Erhebung gegen Dänemark unterlegen, als sie versuchten, Freiheit und Eigenständigkeit durchzusetzen. Dennoch waren die Preußen zunächst nicht sonderlich beliebt, wurde doch die vorher eher (von dänischer Art geprägte) behäbige und liberale Lebensauffassung durch das forsche und reglementierende Auftreten der preußischer Verwaltung etwas plötzlich abgelöst. Erst im Verlaufe der weiteren Bismarckschen Einigungskriege erwachte auch hier ein versöhnendes deutsches Nationalbewußtsein.

Wankendorf - das neue Wirtschaftszentrum (1867)

Drei Dinge waren es wohl, die der bis dahin ruhigen Entwicklung Beine machten :
Erstens wäre der oben angesprochene Mentalitätswechsel zu nennen. Einen hatte es bereits zu Anfang des Jahrhunderts gegeben, als die Bevölkerung in die Eigenständigkeit "entlassen" wurde. Jetzt wurde an mehr Effizienz und Leistungsbereitschaft appelliert.
Zweitens brachte die Eisenbahn eine enorme Beschleunigung des Waren- und Personenverkehrs.
Und drittens sorgte die Einführung der Gewerbefreiheit dafür, dass ein jeder nach seinem Können und Wollen unternehmerisch tätig werden konnte.

Dass Johann Riecken zu den ersten gehörte, die die neuen Signale aufnahmen, das hatte er bereits mit seinem Angebot von Tanzsalon und Kegelbahn gezeigt. Seine Söhne schienen ihm nachzueifern. In Wankendorf - wir haben die Gründe ausführlich dargelegt - gab es bis zur Aufhebung des Gewerbezwanges keine Mühle, keinen Krug, weder Schmiede noch Hökerei !! Also bestand in Wankendorf jetzt großer Nachholbedarf. Andererseits erhielt Wankendorf eine Bahnstation an der neu erbauten Eisenbahnstrecke Neumünster - Neustadt ( Ostholsteinische Eisenbahn ). Das gab Auftrieb : Am Bahnhof entstanden Holzhandel ( Blunk ), Kornhandel ( Schlüter ) und ein "Wirthshaus" (ebenfalls Schlüter).Doch Johann Riecken ließ ein Krughaus in der Dorfmitte errichten, Sohn Andreas wurde Eigentümer einer Windmühle, die er auf ehemals "Thedens Haischacker" erbauen ließ. Der "Gasthof zur Mühle" und eine Hökerei gehörten dazu. Ein Sohn des einstigen Grobschmiedes zu Depenau, Neffe Johann Rieckens, wurde der erste Schmied in Wankendorf !

Nun geschah, was wir ankündigten: Stolpe verlor schlagartig den Rang einer "wirtschaftlichen Mitte", die ja auch geographisch gegeben war, an Wankendorf. Im Zeitraum eines, zweier Jahrzehnte zeichnete sich ein wirtschaftlicher Standort ab, der alles bisher im Gutsgebiet gewesene weit in den Schatten stellte.

Die Familie Riecken aus Stolpe hatte an dieser Entwicklung großen Anteil, wenn auch ihre Unternehmungen schließlich - persönlich gesehen - scheiterten.

Expansion nach Wankendorf (1867 ff)

Doch nun der Reihe nach:
Beginnen wir mit dem Vorhaben von Johann Hinr. Riecken, in Wankendorf, in Konkurrenz zu anderen, eine Niederlassung bzw. Filiale zu errichten. Wir haben zu bedenken, dass die Wirte des "Pfeifenkopfes" in Stolpe mindestens seit 1823 mit "alleiniger Kruggerechtigkeit über beide Dörfer" monopolartig auch den Wankendorfer "Markt" innehatten ! So gesehen, verteidigte er seine angestammten Rechte, indem er in Wankendorf einen Krug zu eröffnen beabsichtigte. Wankendorf war 1864 Eisenbahnstation geworden und der wirtschaftliche Aufschwung nicht zu übersehen. Am 1.10.1867 wurde die Gewerbefreiheit eingeführt. Diese Entwicklung war offenbar abzusehen gewesen, denn Joh. Riecken hatte sich bereits ein Jahr vorher ein Grundstück in bester innerörtlicher Lage beschafft.
Es handelte sich dabei um ein (für die Heimatforschung) sehr interessantes Objekt, das ein Grundstück mit Kate umfasste. Diese wurde 1835 als "das ehemalige Schulhaus" bezeichnet. ( Da im Jahre 1834 das "neue Schulhaus" eingeweiht wurde, muss es sich bei der Kate um die im Jahre 1813 gebaute Schulkate gehandelt haben.) Riecken erwarb die Stelle von dem "Eingesessenen" Hinr.Chr.Schlüter.
"Seit dem 21. Nov. 1866 Johann Hinr. Riecken in Folge Contractes mit dem Vorbenannten." Ebenfalls eingetragen, aber ohne Angabe des Datums : Hierauf erbaut ein Wohnhaus, versichert bei der Landesbrandkasse zu 10 000 M.
Die Gebäudesteuerveranlagung von 1867 weist aus unter N° 116 ein Krughaus, Eigentümer Johann Hinr. Riecken, Stolpe

A Wohnhaus mit kleinem Hofraum und 30 Quadratruthen Garten
Massiv erbaut, mit Pfannen gedeckt, neu (Das Haus wird zwar bewohnt, ist aber noch im Bau begriffen.)
3 heizbare Zimmer, 3 Kammern, 1 Küche, 1 Keller, 1Durchfahrt, 1 großer Laden und 1 Ke- gelraum

Wir sehen, dass Joh. R. nicht lange gezögert hat, "sein Revier" zu verteidigen ! Später ging sein Krughaus per Kaufkontrakt allerdings an Johann Heinr. Wilhelm Bruhs. Unter "Ökelnamen" in "Bilder aus dem Amt W." schreibt Kock : In der Bäckerei Bosmann war früher eine Gastwirtschaft, Besitzer Bruhs. Sie hieß "De Wiendruv".- Hier also hatte früher die alte Schulkate gestanden, hier hatte J. Riecken hoffnungsfroh sein Krughaus gebaut ! Das heute noch dort befindliche Gebäude wurde mithin im Jahre 1867 errichtet.

Wir kommen nun zum Sohn des "Pfeifenkopf"-Wirtes, zu Hans Andreas Theodor Riecken, mit Rufnamen Andreas. Er wurde 1840 in Stolpe geboren, hatte den Beruf des Müllers erlernt und heiratete 1870 Dorothea Theden von Puckrade. Im Jahre 1881 wurde auf seinen Namen ein Folio eingerichtet und die "Parcelle 26 des 5. Kartenblattes der Gemarkung Wankendorf, (Thedens) Haischacker, groß 4.55.69 ha " eingetragen.
Name des Eigenthümers :
1. Der Müller Hans Andreas Theodor Riecken in Wankendorf, 17. März 1879. Das Folio N° 73 wurde errichtet im Königl. Amtsgericht zu Preetz den 10. Juli 1876 (Grundbuchsachen)

Von Fol. 4 des Schuld - und Pfandprotocolls für die Wankendorfer Erbpächter (Puckrade) abgeschrieben und hierher transportirt. Von der Koppel Haischacker die nordöstliche Ecke, groß 59 Ar, 49,7 m

Darauf erbaut :
1.Wohnhaus N° 56 A versichert bei der ... adeligen Brandgilde zu 14 000 M
2. Scheune 56 B zu 4 000 M
3. Stall 56 C zu 1 000 M
4. Windmühle 56 D zu 21 000 M
Besitzer: Höker u. Krüger Andreas Riecken zufolge Erbregulierungsactes vom 30. Juni 1876.

Der Mühlen-Fachmann Uwe Karstens schreibt u.a.: So entstand 1876 am höchsten Punkt des Fleckens Wankendorf ein großer Gallerieholländer mit Windrose und Klappenflügeln...Von Anfang an mit einer Schankkonzession versehen, hatte der "Gasthof zur Mühle" für das "Wirtschaftsleben" Wankendorfs eine zentrale Bedeutung. So wird 1876 und 1880 auch der "Gastwirt und Müller Riecken" genannt (in dieser Reihenfolge!).

Nach dem Krughaus des Joh. R.(1867), nach der Windmühle, dem Gasthof zur Mühle des Andreas R.(1876) wurde auch die erste Wankendorfer Schmiede von einem Riecken aus dem "Pfeifen-kopf"eingerichtet und betrieben (1868)!

Wir erinnern uns, daß die Schmiede zum Pfeifenkopf in Stolpe den Schmiedezwang über beide Dörfer besaß. Sehr folgerichtig war es jemand aus der Stolper Schmiede-Familie Suhr, der sich ein passendes Grundstück in Wankendorf sicherte mit dem Ziel eine Schmiede einzurichten.

Hinrich Suhr erwarb "eigenthümlich" eine Kathe, die früher zur alten Wankendorfer Erbpachtstelle N°5 (De ole Soot) gehört hatte." Eine Kathe von 5Fach, 45 Fuß lang,30 Fuß breit." 46

Noch im Jahre des Grundstückerwerbs und bezeichnenderweise kurz nach der Aufhebung des Gewerbezwanges wurde Besitzer :

Schmied August Carl Christian Riecken zufolge Kontrakts vom 3. Nov. 1868

Carl Albrecht Jürgen Theodor Riecken im "Pfeifenkopf" (1882)

Scheitern in Wankendorf (1877 / 1882)

Die Unternehmungen der Krüger-Familie Riecken in Wankendorf waren von Glück nicht begünstigt
Nur während eines Jahres, 1876, existierten sie gleichzeitig in ihrer Hand. Dann vollzog sich der Abstieg in zwei Phasen. Nach knapp zehn Jahren mußte Joh. R. sein "Krughaus" per Kaufkontrakt 1877 dem Joh. Heinr. Wilhelm Bruhs überlassen (s.o.). Grade sechs Jahre durfte Andreas R. sich seines Besitzes erfreuen :
Zufolge Kaufkontraktes vom 28. April 1882, Fol. A. Riecken, sind die Parcellen 69 und 72/27 des 5. Kartenblattes, ein Areal von 30 Ar 60 qm nebst der Windmühle, verkauft .... und dem Fol.57 zugeschrieben.
Eigentümer ( Fol. 57 ) des Areals mit der Windmühle wurde der Müller Claus Diedrich Langmaack .
Doch verlor Andreas R. gleichzeitig mit der Mühle auch den "Gasthof zur Mühle"; diesen an seinen Bruder,den Kaufmann Carl Albrecht Jürgen Theodor Riecken zum "Pfeifenkopf ", laut Contractes vom 28. April 1882.

Aus dem Verkauf beider Betriebsteile konnten die Forderungen der Preetzer Spar- u. Leihcasse getilgt werden.
Andreas R. starb, erst 45 Jahre alt, in Flensburg.
Ebenfalls im Jahre 1877 gab der Schmied Aug. Carl Christ. R. die Wankendorfer Schmiede an den Schmied Friedr .Blunck ab. Hier kennen wir die Gründe nicht. Riecken war, wie schon erwähnt, Sohn des bekannten Grobschmidts zu Depenau und Neffe von Joh. R.

Mit großer Wahrscheinlichkeit dürfen wir annehmen, dass die Preetzer Spar- u. Leihkasse um die Sicherheit der vergebenen Kredite fürchten musste. Inwieweit auch der Verfall der Aktienkurse infolge des überhitzten Booms der sog. Gründerjahre zum Scheitern der Wankendorfer Unternehmungen des Joh. R. und seiner Söhne beitrug, das entzieht sich natürlich unserer Kenntnis. Die Möglichkeit ist aber in Betracht zu ziehen.
Die Konkurrenz in Wankendorf war gewiss besonders groß, weil in diesem Vakuum mit seinen plötzlich so großen Möglichkeiten auch andere ihre Chancen suchten. So entstand z.B. gleichzeitig mit dem Krughaus in Bahnhofsnähe ein "Wirthshaus" von Hans Hinr. Schlüter, das 11 Stuben, 2 Küchen, 6 Kammern, 4 Keller, Ladenraum, Raum für 26 Pferde und Lagerraum für Waren aufweisen konnte!
In diesem Zusammenhang ist von der Entdeckung zu berichten, dass der Wankendorfer Krüger Asmus Fr. Lütjohann, von dem wir bereits hörten, im Jahre 1823 seine Erbpachtstelle N°13 , die Häuerstelle und nachmalige Halbhufe, an den Erbpächter Claus Christ. Schlüter abgab. Es handelt sich um keine andere Stelle als die heutige von Schlüter's Gasthof! Für die Zeit von 1823 bis 1867 hatte es hier keine Krugstelle gegeben, wohl aber vorher mindestens seit dem Umzug des Stolper Krügers Hinrich Theden (s.o.) bzw.dem nachweislich als Krüger tätigen Sohn Claus Theden! Erst die von Obendorf herstammende Familie Schlüter konnte nach Aufhebung des Gewerbezwanges die Tradition der alten Krugstelle wiederbeleben! An der Aussage, hier habe sich der alte Wankendorfer Krug befunden, ist kaum zu zweifeln!

Nach den Schicksalsjahren 1877 (Aufgabe des Krughauses und der Schmiede) und 1882 (Verlust der Windmühle und des Gasthofes zur Mühle) führte faktisch Albrecht Riecken die Geschicke des "Pfeifenkopfes". Die Rückschläge in Wankendorf müssen demoralisierend auf die Krügerfamilie Riecken gewirkt haben, war doch der optimistisch-unternehmerische Höhenflug unsanft wieder in Stolpe gelandet! Unser Gewährsmann - Klaus Riecken, Bordesholm / Lüneburg, Nachkomme aus dem Pfeifenkopf -, spricht außer von Schulden, die schließlich zur Aufgabe des "Pfeifenkopfes" zwangen, auch von Erbauseiandersetzungen und weiteren familiären Schwierigkeiten.

Besitz an Albrecht R. - Versuch einer Sanierung (1882) Das Ende (1892)

Doch zunächst erwirbt Albrecht R.den Gasthof von seinem Vater53 :
Durch Kaufvertrag vom 28.April 1882 habe ich, der Kaufmann Carl Albrecht Jürgen Theodor Riecken zum Pfeifenkopf ,von meinem Vater, dem Krugwirth Johann Hinrich Riecken daselbst das Gewese " Pfeifenkopf ", Gemeindebezirks Stolpe, käuflich erworben und mich verpflichtet, in Liquidation des Kaufpreises die nachbezeichnete protocollirte Schuld meines Vorbesitzers als eigene zu übernehmen.
Pfeifenkopf, den 15.August 1882
gez. Albrecht Riecken

"Auf dem folium des Geweses Pfeifenkopf liegt eine Capitalschuld von 12 000 M zu 5 % p. a. Zinsen als Obligation meines Vorbesitzers vom 7. Febr.1877."

Wenn wir die Daten vergleichen, dann ist anzunehmen, dass sowohl die Preetzer Spar- u. Leihkasse als auch Albrecht R. daran interessiert waren, die verschuldeten Wankendorfer Unternehmungen zu liquidieren und sich auf eine mögliche Sanierung in Stolpe zu konzentrieren.

Wir kehren ein letztes Mal zum "Pfeifenkopf" zurück. Im Jahre 1875 werden die Gebäude des Anwesens neu versichert. Baulich hatte sich nichts verändert. Der Gastwirt Joh. Riecken war nun 75 Jahre alt und schon lange Witwer. Er hatte sechs Kinder, die hier übersichtlich zusammengestellt seien :
1. Johann Hinr. Christ. ( 1836-1916) Bei seiner Heirat 1870 wird er als Landmann im Pfeifenkopf bezeichnet. Er heiratet ein zweitesmal, 1888 die Witwe seines Bruders Andreas, Doroth., geb. Theden, Puckrade. Sie wanderten 1894 in die U S A aus mit zwei gemeinsamen und sieben Kindern ihrer 1.Ehe.Ottilie Riecken Reber, wir erinnern uns, war ältestes der Kinder von Andreas.
2. Carl Albrecht Jürgen Theodor (1839 - 1911) Kaufmann und Gastwirt.Er heiratet 1870 Anna Christina Elisabeth Theden von Puckrade. Sie zogen fünf Kinder auf : Johann, Regina, Rita, Bertha und Hans.
3.Hans Andreas Theodor (1840 -1886) Müller, Krüger, Höker. Verstorben in Flensburg.
4. Carl Christ. Nicol. (1842 - 1932) Er wanderte schon 1868 nach Nebraska aus und heiratete dort Cath. Tietgen aus Ruhwinkel! Ihre sechs Kinder tragen teils schon englischsprachige Vornamen.
5. Antoinette Carol. Doroth. (1844 - 1877) Sie heiratete 1876 den Mühlenpächter in Damsdorf, Matth. Ludw. Helm. Kähler. Das Ehepaar wurde bei einem Überfall in seinem Hause ermordet; das Baby überlebte.
6. Hans Friedr. Aug. (1846-1940) Er war Teilnehmer am Kriege 1870. Auch er wanderte 1880 nach Nebraska aus, blieb aber unverheiratet.

Der Wirt des "Gasthofes zum Pfeifenkopf", Johann Hinrich Riecken, im Jahre 1800 geboren, gemeinsam mit dem Jahrhundert alt geworden, starb am 23.12.1887.
Nur fünf Jahre später, 1892, verkaufte Albrecht R. den "Pfeifenkopf" an Carl Heinrich Bornhöft, auch, um seinen Geschwistern die Überfahrt nach Nordamerika und einen Neuanfang dort zu finanzieren.

Schlußbetrachtung

Die Ära der Krüger Riecken ließ uns den "Gasthof zum Pfeienkopf" in seiner wahrscheinlich besten Zeit erblicken : Aus Anfängen heraus zu wirtschaftlicher Blüte, als Mittelpunkt eines noch "geschlossenen" ländlichen Lebens bei Festen und Feiern. Die Krüger selbst und ihre Familien wurzelten seit Generationen im Gut und betrieben nebenher auf angestammten Feldern Landwirtschaft; sie waren zugleich Bauern ! Als die Zeit ihnen nahelegte, sich über Gebühr auszuweiten, sich "unternehmerisch" zu verhalten, da überschritten sie eine ihnen gesetzte Grenze.

Doch der "Wandel der Zeiten" hatte Schlimmeres vor : Hundert Jahre später zerstörte ein zweites Feuer den "Pfeifenkopf" überaus gründlich - die Bevölkerung entschied sich (aus wohl guten Gründen) für den Neubau eines Dorfgemeinschaftshauses. Ein möglicher Wiederaufbau des "Pfeifenkopfes" war damit für alle Zeiten gegenstandslos geworden!

Der Versuch, die Bedeutung des "Pfeifenkopfes" im 19. Jahrhundert in der Regie der Krügerfamilie Riecken nachzuzeichnen, ist zwar ausschließlich sachlich orientiert, aber berühren muß uns wieder einmal die Einsicht in das Vergängliche einstmaliger (wie jeglicher) Wirklichkeit, ihr Übergang in "alte Bilder" (wie hier), das Enden in einer Randnotiz. Dem Vergessen in einer schnellebigen Welt entgegen zu wirken, haben wir den Archiven einiges Wissen entnehmen können und versucht, eine fast schon versunkene Welt in einigen Szenen aufscheinen zu lassen.

Diese Arbeit mag dazu beitragen, die Erinnerung wachzuhalten an d i e alte Stolper Institution, den

G a s t h o f z u m P f e i f e n k o p f


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