SITTEN UND GEBRÄUCHE UM 1825

Nach Georg Christian Wilhelm Pasche, Lehrer in Wankendorf.1

"Fangen wir bei der Geburt, des Menschen an. Fühlte eine Frau ihre Entbindung nahe, so wurden zwar die nächsten Verwandtinnen und Nachbarinnen zu Hülfe gerufen, zugleich aber eine Flasche mit Kümmel ins Bettstroh gesteckt, um Stärkung aus derselben zu ziehen. War das Kind zur Welt gekommen, so wurde eine Biersuppe, "Warmbier", für die Wöchnerin gekocht und alle guten Freundinnen des Orts eingeladen, zum "Kindsfod" zu kommen. Bald war die Wohnstube gefüllt und die Eingeladenen mit Essen und Trinken regalirt. Ersteres bestand in der Regel in Klößen von Buchwaizenmehl mit Speck, Schweinskopf und Mettwürsten, letzteres in reinem Kümmel. Man denke sich den Spektakel der größtentheils nicht ganz nüchtern gebliebenen Frauen! Endlich wurde aufgebrochen und weithin durch das Dorf erschallte der Jubel der Weiber, und so hatte denn endlich die Wöchnerin die so nöthige Ruhe gefunden. Jetzt hört man diesen Lärm selten, und der Schmaus ist mit Kaffe und Semmel oder Butterbrod beendigt. So bald, als möglich, gewöhnlich schon am nächstfolgenden Sonntage, erhielt das Kind, und zwar in der Kirche, die Taufe. Haustaufen kamen nicht vor, da sie nicht für vollgültig angesehen wurden. So lange das Kind nicht getauft war, gehörte es zu den Heiden und konnte nicht in den Himmel kommen. Daher der Ausdruck, das Kind solle das Christentum empfangen. Auch dieses hat sich geändert, und öfters läßt man es erst nach Verlauf von Wochen taufen. Die Zahl der Gevattern, war drei. Das Kind wurde einer Säugefrau, in Kissen gepackt, übergeben, und so ging es zu Wagen, oder bei den Ärmeren zu Fuß, nach Bornhövede, wo sich auch alle Frauen, die zum Kindsfot2 gewesen waren, gewissenhaft einfanden. War das Kind getauft, so mußte es auch noch die Predigt und vor allem den Segen mit haben; mochte es schreien, so viel es wollte, es wurde nicht aus der Kirche gebracht. War die Kirche beendigt, ging es nach einem Wirtshause, welches der Hauptgevatter, "Hövdvadder", bestimmte und wo der ganze Schwarm der Frauen sich einstellte. Jetzt gab es Kaffe und Zwieback, und jede nahm sich so viel sie nur konnte, und versorgte auch ihre Taschen; darnach kam der Wein, oder lieber noch Rum mit Zucker, und es hing das Lob der Gevattern, die die ganze Zeche bezahlen mußten, davon ab, wieviel von letzteren gespendet. Endlich brach der Zug auf nach Hause, natürlich mit großem Jubel und Geschrei der oft benebelten Frauen. Zur Versorgung nahm man auf den Wagen, der das Kind fuhr und auf welchem sich so viele wie möglich setzten, noch einige Flaschen und Semmel mit. So unter Lärm kam man ins Dorf, wo die Jugend schon bereitstand, um die Semmel zu fangen, die ihnen zugeworfen wurden. Gevattergeschenke und Kindtaufsschmäuse waren nicht gebräuchlich. Jetzt geht alles viel ordentlicher und still her; wohl bekommen die Frauen im Kirchdorfe noch Kaffe, selten mehr und dann nur Wein; oft aber geben die Gevattern ihnen etwas Geld, wofür sie nach eigenem Belieben sich eine Güte thun können.

Wollte sich ein Paar in den Ehestand begeben, so fand die Verlobung statt, und zwar an einem Sonnabend, selten an einem anderen Tage. Dann ging die Braut im besten Putze, - mit einem weißen Kissenbezug voll Bettfedern unterm Arm und einem schmeidigen Stöckchen in der Hand, in Begleitung einer alten Frau aus der ärmeren Klasse, die einen langen Stock trug - von Haus zu Haus durch den ganzen Distrikt auf "Brutschopp". So wie sie in ein Haus traten, sagte die Alte "Wöllt Se de Brut nig ok en'n Beten mitdeelen?" und eine Gabe an Geld, bei den Landleuten auch noch an Federn, erfolgte; aber nun mußte die Alte auch noch bedacht werden; die auch wohl mit den Worten daran erinnerte: "Ok en Beten in'n Schoot för de ole Brut", und ihr ward Grütze oder Mehl zum Theil. Beim Abschiede lud die Braut zugleich zur Hochzeit ein, so wie sie auch bei den Bauern bat, ihr am Hochzeitsmorgen Hühner, Milch und Butter zu senden. Kurz vor der Hochzeit fand noch eine Einladung durch eine alte Frau statt, die dann wieder ein Bischen in den Schooß haben mußte. Es wurden nun Brautjungfern und Jungfern, in nicht bestimmter Zahl, sowie Schaffner und Schenkermädchen zur Aufwartung bei der Hochzeit gewählt, und so kam der Polterabend heran, an welchem die Mädchen im Hochzeitshaus Sträuße und Kränze banden; die jungen Leute versammelten sich, und er ward in Jubel verbracht. Am Morgen des Hochzeitstages fanden sich die Beamteten ein und wurden mit Biersuppe, Butterbrod etc. bewirthet, mit Schildern von Goldpapier und Bändern und Sträußern geschmückt, eben so auch die Pferde, und der Wagen der Braut mit Tannenreisern oder Laubwerk, und so fuhr man auf zwei mit vier Pferden bespannten Wagen, auf dem ersten der Bräutigam mit Zeugen, Musikanten und Schaffnern, auf dem zweiten die Braut mit ihren Begleiterinnen, nach Bornhöved. Angekommen führte man die Braut nach dem Pastorate, wo sie mit Krone und Bändern geschmückt wurde; dann ging der Zug vom Wirthshause nach der Kirche und nach der Trauung wieder zurück. Auf Kosten des Bräutigams wurde nun gezecht und getanzt, und da nicht zu früh, am liebsten erst mit anbrechender Dämmerung, zurück gekehrt werden mußte, so dauerte es lange genug. Ging der Zug durch Dörfer, so ward beim Bauernvoigt oder im Wirtshause abgestiegen und Zechen und Tanz fortgesetzt.

Kehren wir wieder zum Hochzeitshause. Die beiden Seitenwände der Hausdiele waren mit Bettlaken und Leinen tapezirt, und in der Mitte mit gefärbtem Papier und Bildern, als Plätze für den Bräutigam und die Braut, beklebt. In der großen Thür prangt eine mächtige Blumenkrone und vor dem Feuerheerde ist ein erhöhter Platz für die Musikanten errichtet, so wie zwei Reihen Tische längs der Diele gesetzt. Mädchen kommen und bringen Hühner, Milch und Butter, und erhalten eine Biersuppe. Es wird gekocht, gebraten und gebacken. - Mit der Flasche in der Hand ziehen jubelnd Schaffner, kenntlich an einer weißen, mit Franjen [Fransen] besetzten Binde, gehend über die Schulter und um den Leib, durchs Dorf, um allerlei fehlende Sachen herbeizuholen. Es wird Nachmittag, und nach und nach stellen sich die Gäste ein, vorfindend auf den Tischen einen Imbiß von Brod, Butter, Fleisch, Käse, nebst Kümmel und Tabak. Die Mädchen "schotten", d.i. überreichen Blumensträuße, wofür sie ein kleine Gabe erhalten. Jeder vertreibt sich die Zeit, wie er kann und mag; da erschallt der Ruf: "Se kamt!" - Das neue Paar geht zu jedem Gaste, reicht ihm grüßend die Hand und eröffnet den Tanz; die Schaffner mit den beamteten Mädchen folgen, bringen dann ihre Tänzerinnen den Gästen; wer Lust hat, tanzt mit ihnen, wer nicht mag, bezahlt einen Tanz. Nachdem dieser längere oder kürzere Zeit gedauert hat, wird zum Essen gerufen; das junge Paar setzt sich an seine Plätze, neben ihnen die Begleiter, vor sich einen hölzernen Armleuchter und den Brautkuchen; jeder Gast, wo er will oder Platz findet. Für Löffel, Messer, Gabel (damals wenig gebräuchlich), Teller hatte jeder Gast selbst zu sorgen. Das erste (Gericht war Hühnersuppe; man aß aus der Schüssel und jeder nahm, was ihm gefiel. Dann kam gekochtes Rindfleisch mit Kohl oder Kartoffeln, wobei aber der Meerrettig nicht fehlen durfte, dann das Hauptessen, Schweinsbraten mit Pflaumen, und als letztes dickgekochter Reis, der mit Messern und Gabeln gegessen ward. Zwischen den Gerichten wurde pausirt und geraucht und getanzt. War das Essen vorüber, so wurden die Hochzeitsgeschenke gegeben, gewöhnlich Geld. Man ging nach Belieben zum Bräutigam oder zur Braut, legte die Gabe auf den dazu bestimmten Teller, wogegen ihm die Hand und ein Glas Wein gereicht ward. Die Musikanten zogen bei der Mahlzeit umher und sammelten beim letzten Gerichte für sich. Später wurde auch für die Köchin um eine kleine Gabe gebeten, wobei eine verbrannte Schürze oder dergleichen vorgezeigt ward und die Gabe in eine Schüssel mit Salz gesteckt, dann kam eine Sammlung für die Schüsselwäscherinnen, an manchen Orten auch für die Hebamme und die Armen. Nun wurden die Tische und Bänke bei Seite gebracht und getanzt, oder sonst die Zeit vertrieben bis gegen Morgen, wo der lange Tanz seinen Anfang nahm. Die verheiratheten Frauen suchten die Braut in Händen zu bekommen, was aber die jungen Leute durch allerlei Wendungen und Verschlingungen abzuwenden suchten. Hatten sie sie endlich, so nahmen sie ihr den Brautschmuck ab, und setzten ihr die Mütze auf, und sie erschien als junge Frau. Dann ward Kaffe gereicht, und die Gäste suchten Ruhe, die Einheimischen in ihren Häusern, die Auswärtigen bei Verwandten und Bekannten. Eine Menge ungebetener Gäste fand sich natürlich bei der Hochzeit ein; diese mußten bei der großen Thüre bleiben, daher die Redensart: "He hört achter de grote Döhr." Auch ihnen wurde, so weit möglich Essen gereicht. Sonnabends Vormittag fand sich, wer Lust hatte, wieder ein, und die übergebliebenen Reste der gestrigen Mahlzeit wurden verzehrt, und bis zum späten Abend getanzt. Am folgenden Sonntage ging das junge Paar zur Kirche, und Nachmittags waren die Verwandten zur "Naköst" eingeladen. Die Hochzeit wurde am liebsten am Freitage, sonst am Dienstage, aber an keinem andern Tage gefeiert. Im Ganzen findet die Feier auf die angegebene Art auch noch jetzt statt, nur daß alles ruhiger und sittsamer hergeht; die Tische sind besser servirt, und die Speisen besser und mannigfaltiger. Außer dem sonst gewöhnlichen Kümmel werden jetzt auch andere Getränke, doch nur für Bezahlung, verabreicht.

Bei Beerdigungen wurde im Dorfe oder im Gute in jedem Hause zur Begleitung der Leiche durch eine alte Frau eingeladen. Zwei Frauen setzten sich auf den Leichenwagen, den obersten Rock über den Kopf geschlagen, die nächsten Verwandten folgten unmittelbar hinterher, die andern gingen, wie sie wollten, fanden sich größtentheils erst in Bornhöved im Wirtshause, wo die Leiche stand, ein, und begleiteten sie zum Grabe. Dem Gefolge ward eine halbe Tonne Bier gegeben.3 So auch jetzt noch.

Die Belustigungen des Volkes waren die allenthalben bekannten, als Scheibenschießen, Ringreiten für die Jünglinge, Ringfahren für die Mädchen. Bemerkenswerte ist es, daß die Preise für die ersteren, so wie für die Mädchen, von diesen bezahlt wurden und werden.

1 Georg Christian Wilhelm Pasche: Sitten und Gebräuche im Kirchspiel Bornhöved vor einem Vierteljahrhundert. In: Volksbuch auf das Jahr 1850 für die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg nebst Kalender, S.28ff.

2 Kindsfot ist die Kost, die bei Gelegenheit der Geburt eines Kindes gegeben und genossen wird.

3 1 To. = 64 Kannen; 1 Kanne nicht ganz 2 Liter

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